Unangemessen gehandelt
Ich möchte gerne wissen, was Sie von den Aussagen Naomi Osakas halten. Ist der mediale Druck auf die Spielerinnen und Spieler wirklich derart groß? Und wie war das zu Ihren Zeiten? Da gab es ja noch keine sozialen Medien und so. Hat Naomi Ihrer Meinung nach richtig und konsequent gehandelt? Fanden Sie es seitens des Grand-Slam-Veranstalters richtig, mit Turnierausschluss zu drohen, anstatt die Spielerin zu schützen? Wenn erst jemand etwas antun muss, damit was passiert, finde ich das schon sehr schlimm. Naomi ist dem Veranstalter in Paris ja praktisch zuvor gekommen.

Marc-Kevin Goellner: Hallo, Jannik! Der mediale Druck ist heutzutage enorm groß, das muss man schon sagen. Zu meiner aktiven Zeit gab es keine sozialen Medien und auch das Internet war erst in den Kinderschuhen, das ist richtig. Aber auch damals gab es schon die Bildzeitung und alle anderen einschlägigen Magazine und Schriften und auch da gab es nur schwarz und weiß. Entweder »himmelhochjauchzend oder zu Tode betrübt. Die Fragen haben sich auch nicht geändert. Wenn Du gewonnen hast, warst Du der König, bei Niederlagen wurde man nicht selten niedergemacht. Die Presse ist meines Erachtens so konzipiert, dass sich negative Schlagzeilen und reißerische Aufmacher halt besser verkaufen.
Was Naomi Osaka angeht, so bin ich der Meinung, dass sie, wenn sie diese Probleme hat, unbedingt mentale Hilfe aufsuchen sollte. Sie kann Pressekonferenzen selbst gestalten und zwar so neutral wie möglich und so ausführlich wie nötig. Es gibt auch »Ja-oder-Nein-Antworten«, man muss nicht immer ausschweifend antworten. Deshalb finde ich, dass sie in Paris mit ihrem PK-und Medienboykott völlig unangemessen gehandelt hat. Ich meine, sie ist die mutmaßlich beste Spielerin der Welt, die bestbezahlte Sportlerin weltweit. Wenn es darum geht, bei Nike oder Yonex einen neuen millionenschweren Werbevertrag zu unterzeichnen, sagt sie ja auch nicht „der mediale Druck ist mir zu groß”.
Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an die Zeiten von Steffi Graf, als ihr Vater wegen Steuerhinterziehung im Gefängnis saß. Steffi sagte damals: „Der einzige Ort auf der Welt, wo ich frei bin, ist der Tennisplatz!” Das sieht Osaka so offensichtlich nicht. Daran sollte sie arbeiten. Dass die Turnierveranstalter samt ihrer Sponsoren und Partner das mediale Interesse ausschöpfen, um Aufmerksamkeit zu generieren und demzufolge auch Geld zu verdienen, ist doch auch klar. Man muss immer beide Seiten sehen. Von daher denke ich, dass Osaka nicht richtig gehandelt hat.