»Umkrempeln« ist ein »no-go«
Hallo Herr Schnaubelt! Welche Unterschiede muss ein Trainer — was den Trainingsaufbau angeht — im Umgang mit unterschiedlichen Zielgruppen an den Tag legen, sprich: Jugend, Damen/Herren und Seniorinnen/Senioren. Selbstverständlich ist die Ansprache eine etwas andere, aber Aktive der Altersklasse 60 plus sind doch eigentlich mitunter genauso engagiert und ehrgeizig, wie Damen, Herren oder Jugendliche!? Grundsätzlich würde ich alle Altersklassen gern sportlich fordern. Geht man bei den Seniorinnen/Senioren auch an die Grenze der Belastbarkeit? Lehrt man Seniorinnen/Senioren auch noch Spezialschläge oder krempelt man im deren Technik noch einmal auf Links?

Herbert Schnaubelt: Vielen Dank für Deine Fragen! Was den Trainingsaufbau angeht, so herrscht hier in Bezug auf Struktur der Unterrichts- und Trainingseinheiten weitestgehend Übereinstimmung.
1. Warm Up / Aktivierung
2. Technikentwicklung
3. Spielentwicklung / Taktik
4. Cool Down / Stretching
Die Struktur geht von »OPEN« zu »CLOSED« zu »OPEN«. Die prozentuale Gewichtung ist unterschiedlich und den speziellen Bedürfnissen geschuldet. So wird beispielsweise bei Kindern U10 der Teil der Technikentwicklung (CLOSED) größer sein, als die Spielentwicklung (OPEN). Bei den anderen Zielgruppen, sprich: den jugendlichen Freizeitspielern, den Erwachsenen und Senioren, wird der Aspekt der Spielentwicklung wichtiger.
»Sportliche« Forderung
Es spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, alle Zielgruppen »sportlich« zu fordern. Je älter die Tennisspieler werden, um so wichtiger ist es jedoch für den Trainer zu wissen, ob sie Verletzungen haben/hatten und wie ihr kardiovaskulärer Zustand ist. Ich erinnere mich noch an meinen Schock, als ein Schweizer Teilnehmer an einem Drillkurs zu Kursende berichtete, dass er vor einigen Monaten mehrere Bypässe gelegt bekommen hat.
Spezialschläge vs. Umkrempeln
»Umkrempeln« ist aus meiner Sicht ein absolutes »no-go«! Wenn Du einem Seniorenspieler die Technik nochmals »da capo« beibringen willst, so wirst Du sie/ihn in ein monatelanges Tal der Tränen ohne Erfolg schicken. In Konsequenz wird der Senior möglicherweise dem Tennissport »Auf Wiedersehen« sagen. Spezialschläge beibringen geht hingegen immer — entsprechende koordinative Fähigkeiten und Geduld vorausgesetzt. Ich erinnere mich noch allzu gerne an das Gesicht eines Physik-Professors der RWTH Aachen, Freizeitspieler und mit Eastern-Vorhandgriff aufschlagend, als er seinen ersten Kick-Aufschlag mit höherer Flugkurve und ansprechender Rotation ins Feld setzte. Möglicherweise war es von Vorteil, dass ich ihm etwas von der »Magnus-Kraft« erzählen konnte.
Grundsätzlich steht es uns als Tennislehrer/-trainer nicht zu, einem Spieler (s)einen Schlag zu nehmen. Es ist viel erfolgsversprechender, dem Spieler einen neuen, zusätzlichen Schlag beizubringen. Bernd, gerne stehe ich für weitere Fragen zur Verfügung!