Tennis-Kommentatoren
Hallo Herr Hofen! Ich habe gleich zwei Fragen an Sie als Experten für Medien! 1958 geboren habe ich natürlich die Berichterstattung während des Becker- und Grafbooms in Gänze verfolgt. Szepanski, Potofski, Pohmann & Co. waren angesagt. Wie jeder andere Tennisfan bin auch ich nachts aufgestanden, um Becker & Co. Live zu sehen. Wer war für Sie damals die Nummer Eins am Mikrofon und wie hat sich die Arbeit eines Tennisreporters, vor allem hinter dem Mikrofon im Vergleich zu heute verändert? Und zweite Frage: Warum ist Tennis heute im öffentlich-rechtlichen oder im Privatfernsehen nicht mehr präsent? Ich bedanke mich für Ihre Mühen und wünschen Ihnen und allen Lesern der Tennisredaktion ein frohes und gesundes neues Jahr 2020!

Frank Hofen: In Ihrer Aufzählung der Namen haben Sie einige großartige TV-Sportjournalisten nicht erwähnt, die ich nicht unbedingt ergänzen muss. Nenne trotzdem später noch einige Namen. Zu den von Ihnen erwähnten von mir folgende Anmerkungen: der leider viel zu früh verstorbene, liebenswerte Hamburger Kollege Gerd Szepanski bestach durch seine ruhige Art des Sprechens, gepaart mit großer Fachkompetenz. Der Gelsenkirchener Uli Potofski war immer etwas flapsiger, eben ein Kind des Ruhrgebiets, aber dafür unterhaltsam. Und Hans-Jürgen Pohmann kommentierte aus der Sicht eines ehemaligen Weltklasse-Tennisspielers und glänzte mit großem Insider-Wissen. Und einem Tick Überheblichkeit. Haben Sie im Übrigen Volker Kottkamp, Eberhard Figgemeier oder Rainer Deike — saß am ZDF-Mikrofon bei Beckers erstem Wimbledonsieg am 7. Juli 1985 — nicht mehr im Ohr? Doch wer davon der Beste war, will ich aus persönlichen Gründen meiner Kollegialität zu ihnen nicht kundtun. Das ist ähnlich wie mit der Kunst, die auch immer im Auge des Betrachters liegt!
Die Arbeitsweisen der Sportjournalisten haben sich grundlegend geändert. Während in den 80ern fast jede Tageszeitung einen Tennisredakteur hatte, gibt es heute bundesweit nur noch wenige, die über Tennis vor Ort berichten. Die Agenturen entsenden Redakteure nur noch zu den Grand-Slam-Turnieren oder zu einigen ausgewählten Turnieren in Deutschland. Deren Texte bedienen sich die Tageszeitungen und versehen diese teilweise mit den versandten Turnier-Pressemeldungen oder ausgesandten Texten sogenannter »Freelancer«. Dies alles zusammen ist fast stündlich im Internet auf den entsprechenden Portalen nachzulesen, ohne das auch nur ein einziger Tennisjournalist einen Schritt vor die Tür gemacht haben muss. Die von Ihnen angesprochenen Zeiten, wo ein jeder noch vom dem persönlichen Kontakt profitiert hat, sind längst passé. Ein Miteinander von Tennisspieler und Redakteur auf internationalem Niveau gibt es so gut wie nicht mehr und daher fehlt vielfach auch die Story mit dem Backgroundwissen und der dazugehörenden Kompetenz.
Warum Tennis nicht mehr im öffentlich-rechtlichen oder privaten Fernsehen zu sehen ist, ist Ihre Frage. Meine Antwort: weil es die Zuschauer vor den Bildschirmen nicht mehr gibt. Wenn ein Fußballspiel aus der 3. Liga bessere Quoten und mehr Zuschauer hat, als ein Match von Roger Federer beim Rasenevent in HalleWestfalen, dann muss man sich nicht wundern. Zur Ehrenrettung muss aber angemerkt werden, dass immerhin das ZDF am jeweiligen Turniersamstag und am Sonntag aus dem ostwestfälischen Halle noch ein Halbfinale und das Finale sendet. Ein Lichtblick auf einem ansonsten dunklen Bildschirm. Und ohne TV-Berichterstattung gibt es auch keine deutschen Tennishelden, um wie Sie damals vor dem Bildschirm zu sitzen. Aber machen wir uns auch nichts vor: das war damals für Deutschland so außergewöhnlich, wie der Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft 1954. Während das Letztere sich immer mal wieder für Deutschland wiederholt, sind internationale Triumphe nationaler Tennisprofis heute eher rar. Hier und da, aber mehr auch nicht. Und nur eine gewisse Kontinuität von Triumphen und Erfolgen nationaler Protagonisten kann für mediale Aufmerksamkeit sorgen.
Den einzigen sarkastischen Trost, den ich habe, ist der, dass auch andere große Sportereignisse bereits von den Bildschirmen verschwunden sind. Denn hierzulande regiert beim Einzelnen und demzufolge auch in den Sportredaktionen der Fußball. Es ist nun einmal so: die Nachfrage bestimmt das Angebot!