
Frage an Thassilo Haun: Sehr geehrter Herr Haun. Ich würde gerne Ihre Expertise zum Thema »Scheinselbstständigkeit bei Tennistrainern im Verein« in Erfahrung bringen. Mein Club sagt mir, wann ich wo wen zu trainieren habe, stellt mir Plätze und Bälle zur Verfügung und bestimmt über unseren vollkommen übereifrigen Sportwart sogar ein stückweit die Trainingsinhalte im Mannschaftstraining. Darüber hinaus verpflichtet mich der Verein auch bei den Spielen der ersten Damen- und Herrenmannschaft zugegen zu sein, um zu coachen. Um es auf den Punkt zu bringen: Ich fühle mich maximal weisungsgebunden und kann absolut nichts autark entscheiden. Als selbstständig arbeitender Tennistrainer sehe ich mich in unserem Verein schon lange nicht mehr. Mein Stundenkontingent beträgt ca. 35 Trainerstunden, eine Nebentätigkeit habe ich nicht. Danke für Ihre Expertise, von der ich weiß, dass sie nicht rechtsverbindlich sein kann! Vielleicht macht sie mich aber in der Sache ein wenig schlauer.

Thassilo Haun: Lieber Guido, vielen Dank für Deine Anfrage! Die von Dir beschriebene Situation ist mir aus vielen kleinen bis mittleren Vereinen bestens bekannt. Übereifrig ehrenamtlich tätige Menschen sagen den hauptamtlich tätigen Menschen, was zu tun und was zu lassen ist.
Folgendes Beispiel: Stell Dir vor, Du gehst zum Zahnarzt, da Du Beschwerden hast. Noch bevor dieser anfängt, sich Deinen Zahnstand anzuschauen und nach der Ursache zu suchen, beginnst Du damit, ihm zu sagen, was er zu tun hat und wie er die Instrumente halten soll. Welch komische Vorstellung, oder!? Der Tennistrainer im allgemeinen wird sehr oft unterschätzt und teilweise für doof gehalten.
Ich selbst hatte mal mit einem vollkommen übereifrigen Sportwart zu tun, der nicht einmal in der Lage war, drei Bälle geradeaus zu spielen. Seine »Lieblingsbeschäftigung« war es, LK-Tagesturniere auf der eigenen Anlage auszutragen, bei denen er seine eigene LK verbessern wollte ohne durch die Gegend fahren zu müssen. Sein Horizont als Spieler war wie beschrieben kurz oberhalb der Grasnarbe eines Wimbledon-Courts, sein Auftreten ähnlich dezent wie das Auftreten des Anpeitschers der Schalker Nordkurve. Ein Mensch, der immer alles besser wusste und der quasi nie eine andere Meinung als seine eigene gelten ließ. Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich es ihm niemals werde recht machen können. Und wenn ICH es ihm nicht recht machen kann, dann wird es wohl auch niemand Anderen im Verein geben, der dies hinbekommen könnte. Vier Wochen später wurde mir gekündigt — ER glänzte mit Abwesenheit und ließ sich an diesem Termin entschuldigen. Tja, so können sie sein, die übereifrigen Ehrenamtler. Richtige Spielverderber und echte Unsympathen.
Zurück zu Dir: Nachdem Du als selbstständig tätiger Trainer auftrittst — rechnest Du das komplette Volumen (35 Stunden pro Woche) über den Verein ab oder nicht? Wie ist die vertragliche Vereinbarung gestaltet? Gibt es dort einschlägige Passagen zu Deiner Rolle, in die (eigentlich) niemand reinzureden hat? Falls ja — warum lässt Du es zu, dass Dir reingeredet werden darf? Falls nein – Zeit, Deinen Vertrag entsprechen anzupassen, damit hier Ruhe ist. Warum nicht mal keine klare Grenze ziehen oder alternativ den Verein verlassen, nachdem Du Dich eh nicht mehr wohl fühlst? Es gibt klare Grenzen, die als selbstständig tätiger Tennistrainer in einem Verein einzuhalten sind. Dass Du Dich an die Platzordnung halten musst, ok. Dass Gastspieler eine Gastmarke kaufen müssen, ok. Dass man Dir eventuell einen festen Platz zuweist (warum auch immer), auch ok. Dass Du auf der Anlage vielleicht gewisse Zeiten vorgegeben bekommst, wegen meiner aufgrund gewisser Rahmenbedingungen des Vereins, vielleicht auch noch ok. Aber nicht der Verein sagt, wie das Training auszusehen hat, sondern Du als Trainer! Und zwar ganz alleine, egal wie nervös der Sportwart oder andere Ehrenamtler am Zaum rumhüpfen. Ein Selbstständiger darf auch jederzeit autark entscheiden, ob er weitere Aufträge oder einen Nebenjob annimmt oder nicht. Denn dafür bist Du ja selbstständig, oder? Oder hast Du unterschrieben, dass Du den restliches Leben nur in diesem einen Verein arbeiten darfst und Du Dir hierbei auf der Nase rumtanzen lassen musst?
Wenn der Verein von Dir erwartet, dass Du am Wochenende die 1. Damen- und Herrenmannschaft coachen sollst, dann kannst Du das ja gerne tun. Aber eben nur, wenn Du damit einverstanden bist, wenn Du Zeit hast und wenn Du hierfür bezahlt wirst, es sei denn, in Deiner vertraglichen Vereinbarung mit dem Verein hast Du einen Passus unterschrieben, der sagt, dass Du Punktspiele der 1. Herren- und 2. Damenmannschaft jederzeit, solange der Vertrag läuft, ohne Bezahlung in Deiner Freizeit und auf Zuruf des Vereins jederzeit zu begleiten hast.
Ich an Deiner Stelle würde diese Punkte offen und ehrlich ansprechen, von der Besprechung ein Protokoll anfertigen und der ehrenamtlichen Leitung zusenden. Danach würde ich beobachten, ob sich etwas ändert. Immer vorausgesetzt, Du hängst an diesem Verein und dessen Mitgliedern und/oder bist aktuell darauf angewiesen, dort Geld zu verdienen. Falls Du nicht weiter an diesem Verein hängst und ausreichend finanzielle Reserven hast, würde ich mich an Deiner Stelle nach einem anderen Verein umsehen.
Meine abschließenden Tipps: Lass Dich nie in die Organisationsstruktur eines Vereines einbinden, nutze nie einen offiziellen Email-Account des Vereins, nutze nie ein Festnetztelefon im Verein für Deine geschäftlichen Anrufe, mache Dich NIE von nur einem Verein abhängig, rechne nie alles nur über einen Auftraggeber ab. So einfach ist das.