Qualität & Quantität
Ihr alle kennt doch sicherlich die »10.000 Stunden-Regel«. Dies ist nur eine grobe Hausnummer und keine feste, unumstößliche Konstante! Des Weiteren haben wir in diesem Zusammenhang gelernt, dass diese Anzahl von Stunden nur dann gut investiert ist, wenn sie mit Sinn und Intensität bestückt sind. Intensiv ist das Training dann, wenn Euer Kind die gesamte Trainingszeit auf eine tennisrelevante Weise, sei es konditionell, motorisch, konzentrationstechnisch oder mental auf hohem Niveau gefordert ist. Sinnvoll ist eine Trainingseinheit dann, wenn Tools, die das Spiel Eures Schützlings substantiell verbessern, erlernt werden! Um Euch diese Sache etwas deutlicher zu erklären, werde ich etwas ausholen…
Dazu wieder eine kleine Story aus meiner Racketbag: Herr P. kommt aus Russland und hat, trotz anfänglicher sprachlicher und kultureller Barrieren sehr viel erreicht und es zu einem guten Geschäftsmann gebracht. Seine Einstellung zu »Fleiß, Disziplin und Willenskraft« hat ihm zu diesem Erfolg verholfen. Eben jene Attribute, die ihm zu seinem beruflichen Erfolg verholfen haben, sollen aus seinem Sohn einen erfolgreichen Tennisspieler machen. Tagein tagaus verbringt er seine Freizeit mit seinem Sohn auf dem Tennisplatz. Eigentlich wäre das ja kein Problem, aber das Kind ist neun Jahre alt! Und hier liegt das Problem! Das Kind spielt wirklich verdammt gut und auch gerne Tennis… aber es will spielen… nicht arbeiten! Es verbringt zwar eine Unmenge von Stunden auf dem Tennisplatz, sollte also mit 16 bis 17 Jahren die 10.000 Stunden voll haben. trotzdem wird der Junge kein Champion werden, weil das Engagement und damit logischerweise auch die Intensität fehlen. Darüber hinaus ist der Herr Papa zwar wahnsinnig ehrgeizig und engagiert, aber leider nicht wirklich tenniskompetent. Ergo: der Junge schlägt zwar Millionen von Kugeln, aber völlig sinnlos!
Max ist 13. Bis vor einigen Monaten hat er relativ wenig Tennis gespielt. Er hat zwar ein Ranking auf der Jugendrangliste, es gibt aber etliche Jungs in seinem Verein, die bereits deutlich mehr trainieren und auch häufiger Turniere spielen und damit konsequenterweise viel höher klassiert sind. Max war deswegen aber keinesfalls faul. Er hat nämlich zusätzlich noch in der höchsten Jugendklasse sowie in der Bezirksauswahl Fußball gespielt. Ist die Zeit, die Max auf dem Fußballplatz verbracht hat auch für sein Tennisspiel sinnvoll? Natürlich! Er hat einen unglaublichen Touch! Seine konditionellen Voraussetzungen sind grandios! Er hat ein gutes Auge! Er hat viel Wettkampferfahrung gesammelt! Er musste sich durchbeißen! Er ist zweikampfstark! Das sind doch alles Attribute, die auch einem Tennisspieler zugute kommen. Nun, Max hat gemerkt, dass die Doppelbelastung Fußball & Tennis auf Dauer nicht gut gehen kann und hat sich, aus was für Gründen ist an dieser Stelle nebensächlich, entschieden. Was aber nicht nebensächlich ist, ist folgende Tatsache: von Woche zu Woche schwindet der Vorsprung, den die »Tennisspezialisten« gegenüber Max einmal hatten. Ich gebe Max noch ein paar Wochen, dann hat er zu ihnen aufgeschlossen. Und in spätestens einem halben Jahr, dafür lege ich meine Hand ins Feuer, ist er der Spieler in seinem Verein, der das beste Ranking in seiner Altersstufe hat.
Also Leute, lasst Eure Kinder erst einmal »nur spielen«. Wenn sie irgendwann einmal vom Ehrgeiz gepackt werden, dann werden sie automatisch auch mehr trainieren wollen. Spätestens in den Jahrgangsstufen U14 bis U16 realisiert Eurer Kind, dass Tennis nicht nur Spielen, sondern auch eine Menge Arbeit ist. Es ist jetzt aber auch soweit, dass es damit keine Probleme hat. Spezialisiert Euer Kind nicht unnötig früh nur auf Tennis. Es gibt sehr, sehr viele Disziplinen, die die Tennisentwicklung positiv beeinflussen. Und wenn Ihr Euch entscheiden müsst, dann wählt immer die Qualität, nicht die Quantität.
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