Objektiv und sachlich bleiben
Ich habe eine Frage an Sie, die ich aus einer vollkommen anderen Perspektive herausstellen möchte: Nämlich aus Sicht einer Spielerin, die ich persönlich auf ITF-Ebene betreue. Sie ist, so möchte ich behaupten, mediensüchtig. Gefühlt gibt nichts, was an ihr vorbei segelt: Kein Ergebnis, kein Turnierbericht und kein Post in den sozialen Medien zum Thema Tennis. Das ist ganz furchtbar. Ich selbst schätze Smartphone und iPad sehr, nutze es aber nur für die wirklich wichtigen organisatorischen Dinge. Bei meiner Spielerin ist es aber so, dass sie sich von dem Medien- und Informationswahn sowie den vielen Kommentaren (auch und vor allem zu ihrer eigenen Person) enorm beeinflussen lässt und ihre sportlichen Leistungen darunter leiden. Ich habe schon mehrfach gebeten, die Mediensucht etwas herunterzuschrauben, bislang ohne Erfolg. Haben Sie da einen Rat?! PS: Ich werde dieselbe Frage auch an Marc-Kevin Goellner und Frank Hofen senden, die ja auf Ihrem Portal für die Bereiche Profitennis und Medien verantwortlich sind. So erhoffe ich mir eine umfassende Beratung von mehreren Seiten. Ich danke Ihnen allen sehr, denn ich möchte nicht, dass die bis hierher sehr, sehr gute Zusammenarbeit mit meiner Spielerin einen Bruch erfährt!
Toni Witz: Zuerst einmal, danke für Deine Frage! Vorab ein Link zum Thema: »Spitzensportler auf Social Media: Nah dran oder alles fake?« Wurde im März auf ZDF ausgestrahlt. Grundsätzlich finde ich es positiv, dass sich SpielerInnen auch in ihrer Freizeit mit Tennis beschäftigen. Das zeigt meiner Meinung nach ihre Leidenschaft für den Sport.
Da ich weder Dich, noch Deinen Schützling, noch die Art und Weise wie Ihr zusammenarbeitet, kenne, sind konkrete Ratschläge natürlich sehr schwer. Des Weiteren ist dies ein Themengebiet, wo ich kaum Erfahrung habe und wenn es sich wirklich um eine »Sucht« handelt, dann bin ich leider auch der falsche Ansprechpartner. Dafür gibt es dann ausgewiesene Expert*innen. Ich habe aber ein paar Gespräche mit Personen geführt, die sich besser auskennen, als ich und hoffe, Dir nun zumindest ein wenig helfen zu können. Hier ist vereinfacht gesagt die »Conclusio« aus den Gesprächen:
Voraussetzung ist einmal, dass Ihr eine gute Gesprächsbasis habt und Ihr offen miteinander reden könnt. Wenn das der Fall ist, wäre es gut, mit Deiner Spielerin nochmals in Ruhe über das Thema zu sprechen. Im Verlauf des Gesprächs wäre es wichtig, einmal herauszufinden, ob Dein Schützling komplett anderer Meinung ist oder ob Deine Einschätzung geteilt wird und es ihr vielleicht einfach nur sehr schwer fällt, den Medien- und Informationskonsum einzuschränken. In diesem Fall könnt Ihr wie der Kollege Frank Hofen bereits in seinem Artikel erwähnt hat, gemeinsame Medienstunden vereinbaren. Wenn sie aber Deine Einschätzung nicht teilt, dann wäre es hilfreich, zu erfahren, warum sie so viel Zeit in den sozialen Medien verbringt. Das würde Dir dabei helfen, zu verstehen, warum sie das tut und vielleicht ergibt sich aus dieser Erkenntnis eine Lösung, die für Euch beide in Ordnung ist.
Zusätzlich wäre es hilfreich, dass Du ihr Deine Einstellung und Sichtweise anhand von konkreten Beispielen näher bringst bzw. verdeutlichst. Dann wird es ihr möglich sein, Dich und Deine Bedenken besser zu verstehen bzw. nachzuvollziehen. Und nur wenn sie auch glaubt, dass ihr aktueller Medien- und Informationskonsum Überhand nimmt und ein »Problem« darstellt, weil dieser sich unter anderem negativ auf ihre Leistung auswirkt, kann es gelingen, dass sich ihr Verhalten ändert.
Letztendlich geht es darum, dass Dein Schützling der Meinung ist, dass Du als ihr Trainer im Falle von unterschiedlichen Ansichten immer versuchst, sie auch zu verstehen sowie objektiv und sachlich zu bleiben. Denn am Ende geht es doch darum, ihr dabei zu helfen, die beste Tennisspielerin zu werden, die sie sein kann.
Eines möchte ich am Ende aber auch noch unbedingt erwähnen. Wenn Du das Gefühl hast, dass Du machtlos bist und Du/Ihr es nicht in den Griff bekommt, würde ich Dir empfehlen Dich, wie bereits erwähnt, professionell von jemandem beraten zu lassen, der oder die sich mit dieser Thematik wirklich auskennt. Sollte Deine Spielerin noch minderjährig sein, sollten auch die Eltern mit eingebunden sein. In diesem Sinne hoffe ich, ein wenig geholfen zu haben! Alles Gute Euch beiden!