„My way or highway!”
Hallo, Herr Schnaubelt! Ich freue mich, Ihnen heute eine Frage stellen zu dürfen, möchte Ihnen aber vorab zu Ihrer jüngsten PTR-Auszeichnung gratulieren. Meine heutige Frage: Wie kommuniziere ich als Vereinscoach den Tenniseltern, dass ich deren Engagement zwar sehr schätze (ohne die Eltern geht schließlich nichts, denn sie zahlen und fahren die Kinder von A nach B!), ich sie aber dennoch nicht direkt am Trainingsplatz, geschweige denn Ball sammelnd oder auf der Bank sitzend auf dem Platz sehen möchte? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass dies meine Arbeit ungemein einschränkt und meine Tenniskids in ihren Aktionen immens eingeschränkt und gehemmt wirken. Diese Erfahrung werden Kolleginnen und Kollegen sicherlich auch bereits gemacht haben. Ich hoffe, Sie haben da eine Vorgehensweise, die sich national wie international bewährt hat?! Liebe Grüße aus Berlin!

Herbert Schnaubelt: »Eltern on court, off court, no court« — diese Progression sehe ich als sehr gefährlich an. Ich kenne international anerkannte Akademien, die den Zugang zu den Trainings-Courts schlichtweg allen (außer den Spielern und dem Staff der Trainer) verbieten. Die Argumente sind wohl überall ähnlich. Die Spieler sind weniger fokussiert, weil die Eltern zuschauen und/oder sich in irgendeiner Form einmischen. Die Akademien haben es in diesem Kontext aus meiner Sicht einfacher, da es sich um wirtschaftlich orientierte Unternehmungen handelt, die ihr Credo und ihre Regeln veröffentlichen und wem dies nicht passt, der kann ja gehen. Zitat Nick Bollettieri: „It’s my way or the highway!”
Auf Vereinsebene sehe ich diese Situation komplexer.
Ohne die Eltern geht nichts! Sie zahlen und haben ein (gewisses) Recht, sich zu informieren, wie das Training aussieht und abläuft. Ebenso wie die Vereins- oder Klubführung. Von daher spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, wenn aus einer gewissen Distanz und auf jeden Fall von außerhalb des Platzes zugeschaut wird. Das müssen sowohl die Kinder als auch Sie als Trainer aushalten können! Hier gilt es auch zu beachten, dass Kinder bis zu ca. 8 Jahren noch die Sicherheit der Anwesenheit von Elternteilen oder von Opa/Oma brauchen und diese in der Nähe wissen wollen.
Was nicht geht, sind verbale Einmischungen oder wie von Ihnen geschildert, das Bälle sammeln auf dem Platz. Auch hier wieder haben wir es mit einer Situation zu tun, in der Sie »reaktiv« sind. Sie reagieren auf etwas was geschieht bzw. geschehen ist und haben diese Situation weder antizipiert, noch im Vorfeld geklärt, wie Ihr Training abläuft. Klären Sie deshalb im Vorfeld, wie Ihr Training ablaufen soll! Informieren Sie Verein und Eltern hierüber! Auch wenn die Absichten eines ballsammelnden Opas durchaus positiv zu bewerten sind, so trägt dies nicht zur Erziehung, zur Autonomie bei (genauso wenig wie das Tragen der Kindertennisschläger vom Parkplatz zum Court).
Mit einem Satz aus Ihrer Frage habe ich jedoch ein Problem: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass dies meine Arbeit ungemein einschränkt und meine Tenniskids in ihren Aktionen immens eingeschränkt und gehemmt wirken.“ Wie genau wird ihre Arbeit eingeschränkt? Und wie genau werden die Tenniskids in ihren Aktionen eingeschränkt und gehemmt? Hier benötige ich mehr Infos, um Ihnen besser antworten zu können.
Rückmeldung des Lesers
Lieber Herr Schnaubelt, Danke für Ihre Antwort! Mit eingeschränkt und gehemmt meine ich, dass sich doch Trainer und Schüler naturgemäß anders verhalten, wenn sie alleine arbeiten, als wenn die Eltern oder Oma und Opa das Training mit Argusaugen verfolgen. Mein Training beispielsweise basiert auch auf jeder Menge Spaß und die Kids auch mal machen zu lassen. Sprüche wie „Und für das Rumalbern bezahlen wir?“ oder „Ich dachte, das sei Tennistraining!“ wenn wir mal mit einem Hockeyspiel zum Aufwärmen in die Unterrichtsstunde starten, sind nicht selten. Ich denke, ich spreche sicherlich für viele Trainerkolleginnen und ‑kollegen, wenn ich sage, dass Coach und Schüler einen Schalter umlegen (müssen), wenn sie derart beobachtet werden. Eine Mutter konfrontierte mich gar einmal mit einer Strichliste, wer in der Gruppe (U10) in der Stunde wie viele Bälle schlagen durfte…
Herbert Schnaubelt: Es bleibt für mich dabei: Wenn Eltern und/oder Verein nicht darüber im Vorfeld informiert sind, was und warum im Training beinhaltet ist und durchgeführt wird, kann sich ein Problem ergeben. Meine folgende Aussage bitte nicht persönlich nehmen! Wenn das Training (oder das was Eltern als »Rumalbern«, oder der Trainer als einfach mal machen lassen bezeichnen) nicht so packend interessant ist, werden die Augen der Kinder offcourt zu den Eltern/Großeltern gehen. Du schreibst:
„Ich denke, ich spreche sicherlich für viele Trainerkolleginnen und ‑kollegen, wenn ich sage, dass Coach und Schüler einen Schalter umlegen (müssen), wenn sie derart beobachtet werden.”
Wenn Trainer einen Schalter umlegen müssen, wenn sie beobachtet werden, stimmt per se etwas nicht! Die Qualität des Trainings und die Performance des Trainers können und dürfen nicht davon abhängen, ob das Training unter Beobachtung stattfindet oder nicht. Die Strichliste hingegen ist für mich ein Indiz, dass Eltern beunruhigt sind, was Intensität oder Gleichbehandlung innerhalb des Trainings angeht. Am liebsten würde ich Ihnen eine Supervision der Situation (Training, Verein, Eltern) anbieten. Ich denke, dass in diesem »Bermuda-Dreieck« ein Konfliktpotential besteht, welches verstanden und ausgeräumt werden will.