Medien-Trends
Sehr geehrter Herr Hofen, mich interessiert die Meinung eines anerkannten und erfahrenen Fachmanns, inwieweit sich die Medienarbeit über die Jahrzehnte hinweg verändert hat und welche Trends im Rahmen von Presse- & Öffentlichkeitsarbeit zu erwarten sind. Selbstverständlich bezieht sich meine Frage auf die Sportberichterstattung und hier insbesondere auf unseren geliebten Tennissport. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen!

Frank Hofen: Lieber Peter, da gibt es zahlreiche Faktoren, die die Sportberichterstattung verändert hat. Lass mich das einmal so sagen: Der Sport in seiner ganzen Breite hat vor ein paar Jahrzehnten noch eine prägende Bedeutung in der Gesellschaft gehabt. Da ich nicht weiß, wie alt Sie sind, weiß ich auch nicht, inwiefern Sie das nachvollziehen können! Da gab es TV-Übertragungen von der Leichtathletik bis zum Eiskunstlaufen, es gab Springturniere der Reiterei ebenso zu sehen wie Schwimmen, Rhythmische Sportgymnastik oder Rudern. Und heute? Diese Vielfalt in der öffentlichen Berichterstattung findet, einmal abgesehen von Olympischen Spielen oder hin und wieder von Weltmeisterschaften, nicht mehr statt. Weder im TV, noch in den Tageszeitungen. Alles ist ein wenig Randsport geworden, genauso wie der Tennissport.
Warum ist das so?
Zum einen hat sich unser gesellschaftliches Verhalten in der Freizeit verändert. Auch das TV-Zuschauen. Wer bleibt schon heute länger als 90 Minuten vor dem Bildschirm?! Die Sportart muss zudem »Eventcharakter« haben. Es muss bunt, schrill und schnell entschieden sein. Zudem müssen Helden da sein, die wiederum ihre Emotionalität am besten öffentlich ausleben. Wir konsumieren daher heute die mediale Sportwelt anders, weil wir auch mehr als nur ein Freizeitinteresse haben. Während vor Zeiten das Primäre in der Berichterstattung der Stil zum 1:0 maßgeblich war, interessiert dies heute kaum noch den Leser. Das Resultat ja, aber ansonsten nur das Drum und Dran. Glitter und Glamour sind eher gefragt als Trainingsanzug.
Verändertes (Zeit-)Interesse
Während ab den ’85er-Jahren die TV-Übertragungen der Tennisturniere geradezu Lehrstunden des Tennissports vom Aufschlag bis zum Matchball waren, interessiert heute — wenn Tennis überhaupt noch übertragen wird – wer wann wo in welcher Diskothek war, wie lange, was getrunken wurde und wer es mit wem am besten kann. Alles ein wenig vereinfacht, aber wer unterhält sich schon über die Rückhand von Federer? Da wird doch viel lieber über sein Karriereende spekuliert. Egal, wie oft der Schweizer das dementiert.
Dieses veränderte (Zeit-)Interesse hat natürlich auch seine Auswirkungen auf die Berichterstattung in den Tageszeitungen. Die verlieren tagtäglich Abonnenten, weil es im Internet kostenlos auf ein paar Zeilen schnell konsumiert ist. Sinkende Auflagen, weniger Geld im Verlagshaus, Abbau von Redakteursstellen, weniger eigene Berichterstattung und immer mehr Agenturdienste. Wirtschaftliche Konzentration und Konsolidierung sind die Schlagworte. Doch vermissen wir etwas? Wenn ja, dann würden stapelweise Leserbriefe, bzw. Beschwerden eingehen. Doch mitnichten. Wir sind im Überfluss der Informationen fast untergegangen und halten uns an dem wenigen fest, was uns noch interessiert. Im Sport. Oder in der Kultur. Oder in der Musik. Oder ansonsten an irgendetwas.
Ein aktuelles Beispiel gefällig?
Hier ist es: Die Covid19-Pandemie ist zweifelsohne eine grässliche Seuche. Wir sind es aber überhaupt nicht mehr gewohnt, Krisen zu leben. Wie soll ich mich in diesem Informationsdschungel von Nachrichten noch zurechtfinden?! Die Anzahl der Experten steigt stündlich: Hier ein Virologe, dort ein Philanthrop, nun aber der Philosoph und dann wiederum auch noch ein Schauspieler, ein DSDS-Sänger oder eine Bachelor-Teilnehmerin. Dann wieder eine Vereinigung, darauf der politische Querschnitt der Parlamente, der Bürger (natürlich auch Bürgerin) auf der Straße, der gesundete Kranke, oder der, der morgen die Pandemie bekommen könnte sollte. Und das auf allen Kanälen, mit einer 24-stündigen Nachrichtendauerschleife. Ist das eigentlich normal? Übersteigt dies nicht unser Informationsinteresse?
Wollen wir das wirklich?
Aber: So sieht Berichterstattung heute aus! Keiner kann mir tatsächlich sagen, ob wir das wirklich wollen. Denn irgendein Institut, eine Universität oder irgendeine Forschungsabteilung hat genau das herausgefunden, dass wir das so wollen. Meinerseits glaube ich, dass wir noch mehr auf uns aufpassen müssen, um in dieser nachrichtengeilen Welt nicht den Gedanken an das Wesentliche zu verlieren: die eigentliche Botschaft der Nachricht. In diesem Sinne bleiben Sie aufmerksam. Und wenn sie erst einmal alles als »Fake News« betrachten, analysieren sie auf jeden Fall richtigerweise die Nachricht.