Liebes Tennisvölkchen!
Von Christoph Kellermann.
Ursprungsdatum: 08.04.2020
To whom it may concern! — Wen es betrifft! Was seid Ihr doch mitunter für unverbesserliche und verantwortungslose Deppen. Da packt uns weltweit ein nie dagewesenes Virus am Arsch, hebt unsere ach so heile Welt komplett aus den Angeln, stellt unseren Lebensalltag vollständig auf den Kopf, tötet rund um den Globus zahllose Leben jeden Alters, zerstört schon jetzt tagtäglich zig Existenzen und Ihr Tennisspieler habt nichts anderes im Sinn, als wie bekloppt zu trommeln, um auf Eure geliebte Asche zu dürfen…

Tennis. Systemrelevant wie das Lebensmittelgeschäft im Ort, die Krankenhäuser, die Regierung. Ach was: wichtiger noch! Da präsentiert der Sportwart eines Tennisclubs bei Insta stolz seine erste Herrenmannschaft, die — geschlossen und stolz mit Schüppe und Harke bewaffnet — die heimische Tennisanlage von Blättern befreit hat. Entgegen jeder Anordnung. Da präsentiert einer unserer DTB-Landesverbände stolz ein Schreiben an den Landessportbund, wonach man eine vorzeitige Freigabe der Tennisplätze ersucht. Entgegen jeder Vernunft. Da fragt der Deutsche Tennis Bund höchst persönlich und in aller Öffentlichkeit allen Ernstes, weshalb man dieser Tage Joggen, aber nicht Tennisspielen dürfe, schließlich habe man doch gute 20 Meter Abstand zum Gegenüber. Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit und wie so oft, nicht zu Ende gedacht.
Vorgestern sagte jemand zu mir am Telefon: „Ich glaube, diese Krise wird die Menschheit nachhaltig verändern…” — Ganz ehrlich? Ich glaube nicht daran. So wir diese Krise trotz der vorgenannten Hohlbirnen überstehen, werden alle wieder zum gewohnten Alltag zurückkehren. Danach werden die fetten SUVs wieder angeschmissen, um beim 80 Meter entfernten Bäcker Brötchen zu holen oder um das Kind zum 200 Meter entfernten Tennisclub zum Training zu fahren und danach wird wieder gereist, bis der Arzt kommt. Alles wird wieder zur Selbstverständlichkeit.
Man wird auch nach Corona über unsere Regierung schimpfen, so wie es vor und während Corona auch der Fall war und ist, dabei machen die Jungs und Mädels da in Berlin einen verdammt guten Job! Möchte jemand mit ihnen tauschen? Sind ihre Anweisungen zu lasch, werden sie kritisiert und Ihr sagt: „Aber die Österreicher haben schon…”, bleiben sie in ihren Anordnung — wie in diesen Tagen — knallhart, sagt Ihr: „Aber die Österreicher dürfen schon…”
Auch wird man vergessen, was die Regierung in diesen schwierigen wirtschaftlichen Zeiten vor allem für die kleinen und mittleren Unternehmen völlig unbürokratisch und blitzschnell locker gemacht hat, damit diese über die Runden kommen. Milliarden über Milliarden.
Kaum jemand sieht die großartigen Chancen, die sich uns durch den krisenbedingten Shutdown bieten. Viele Firmen haben das »Home-Office« für sich entdeckt und hierbei sensationell gute Erfahrungen gemacht. Familie und Arbeit lassen sich also durchaus vereinen, der großartigen modernen Technik sei Dank. Flugzeuge bleiben am Boden, Menschen bleiben — wenn auch Corona-gesteuert — ainfach mal zu Hause, Politiker lassen ihre Regierungsflieger Regierungsflieger sein und erledigen wichtige politische Angelegenheiten mittels einer Telefon- oder Videokonferenz. Unzählige, sündhaft teure Flugreisen wurden auf diese Weise schon eingespart. Geht doch. Durch die aktuellen Umstände wurde unser aller Leben mal ein wenig entschleunigt. Eine große deutsche Tageszeitung zitierte einen Wissenschaftler, wonach unser gesamter Planet ganz offensichtlich zur Ruhe gekommen sei. Wer in diesen Tagen und Wochen versucht, etwas Konstruktives mit der neu gewonnenen Zeit und Ruhe anzufangen, der wird sehr viel Positives für sich und die Umwelt verbuchen.
Zurück zu Euch Tennisspielerinnen und ‑spielern: selbstverständlich ist es doof, dass aktuell wenig bis keine Aussicht auf Öffnung der Freiluftplätze besteht. Trotzdem solltet Ihr mal chillen, denn die Sommersaison hätte vermutlich auch ohne Corona offiziell überhaupt noch gar nicht begonnen, das traditionelle gemeinsame »Deutschland spielt Tennis« war für den 15. April geplant und ist seitens des DTB vernünftigerweise und vorsorglich bis zum Ende der Sommersaison verlängert worden. Schon heute aber macht Ihr Land und Leute verrückt. Nicht auszudenken, wenn das Milliardenschwere Konstrukt »Fußball-Bundesliga« noch vor Euch wieder aktiv wird und die unterbrochene Saison mit Geisterspielen und unter extremsten Sicherheitsvorkehrungen zu Ende bringen darf.
Das Schleifchenturnier Ende April habt Ihr schließlich schon organisiert und die Würstchen liegen quasi auch schon auf dem Grill. Ne, die Tennisspielergemeinschaft ist schon ein verrücktes Völkchen. Wir schreiben heute den 8. April 2020. Die Virologen rechnen für die nächste Zeit mit einem weiteren konstanten Anstieg von Infektion und Todesrate und mahnen eindringlich, die Anweisungen der Bundesregierung weiter zu befolgen und im Idealfall sogar zu verschärfen. Vielen von Euch ist das Wurscht. Euer Bewegungsradius hat längst wieder Normalität angenommen, frei nach dem Motto:
»Scheiß auf Corona! Deutschland spielt Tennis!«