Gegenlesen — ja/nein
Hallo Herr Hofen! Ich verfolge Ihre Beiträge mit großem Interesse und habe heute selbst eine Frage an Sie. Mich interessiert, ob es für Sie einen Unterschied macht, einen wahrhaft prominenten Menschen und Weltsportler wie Roger Federer zu interviewen oder den ganz normalen Clubspieler, der womöglich zum dritten Mal in Folge Stadtmeister wurde?! Und: besteht auf der einen oder eben der anderen Ebene eine Pflicht, das Interview gegenlesen und freigeben zu lassen? Wie sind Ihre Ansätze hier?

Frank Hofen: Eines einmal vorab: eine Verpflichtung, ein Interview gegenzulesen, besteht nicht. Das hat sich leider in der Vergangenheit so eingebürgert, denn eigentlich gilt das gesprochene Wort. Zudem, so handhabe ich das, lasse ich bei entsprechenden Interviews — nicht beim Smalltalk — immer ein Aufzeichnungsgerät mitlaufen. Frage aber zuvor den zu Interviewenden, ob er dem zustimmt.
Zur redaktionellen Bearbeitung wird dann diese Aufzeichnung von mir schriftlich niedergeschrieben und da ergibt sich vielfach der inhaltliche Knackpunkt. Das gesprochene Wort liest sich nicht immer so, wie es der Gegenüber gesagt und auch gemeint hat. Insofern ist hier ein Gegenlesen sehr sinnvoll, um das letztlich inhaltlich in schriftlicher Form so herüberzubringen, wie es gesagt wurde.
Auf das von mir gewünschte Interview bereite ich mich immer so gründlich vor, dass ich glaube, alles Wichtige über die Person zu wissen. Dabei ist es für mich unerheblich, ob es ein Prominenter oder der Stadtmeister ist. Mir geht es darum, ihm eine Wertschätzung entgegen zubringen, was sich dann auch letztlich im positiven Sinne des Gesprächs heraus kristallisieren wird. Natürlich ist es bei Prominenten wesentlich einfacher sich vorzubereiten, zumal in allen digitalen Lexika schon viel steht. Hat aber bei weniger bekannten Leuten den Vorteil, dass man sich auch intensiver damit beschäftigen muss. So kann man mit diesem Wissen bei einer weniger bekannten Person auch einen »Überraschungseffekt« setzen, der trägt zweifelsohne zu einem erfolgreichen Interview bei.
Zudem neige ich dazu, vor allem wenn es ein grundsätzlicheres und umfangreicheres Interview werden soll, meine Fragen vorab zuzustellen. So kann sich die Person darauf einstellen und kennt somit meine thematische Richtung. Das heißt aber nicht, dass ich mich anschließend nur daran halte. Vielfach ergibt sich aus den gesprochenen Antworten die eine oder andere Nachfrage. Aber auch das macht das Interview so spannend. Nicht nur für mich, sondern in Gänze auch für den Leser. Und auf dieser gewonnenen journalistischen Ebene zwischen dem Fragenden und dem Antwortenden ergibt sich ein partnerschaftliches Verhältnis, so dass ich durchaus das Interview zum gegenlesen geben kann. Mein Ziel ist es ja, ein informatives, gelungenes Interview zu haben, welches auch neue Fakten für die Leser*innen aufzeigt. In diesem Sinne wünsche ich frohes Schaffen!