Joerg Linden - Kompetenzforum

Der »Helikopter«

Der »Heli­ko­pter«


Hal­lo Coach! Ich habe Rafa­el Nadal vor nicht all­zu lan­ger Zeit live bewun­dern dür­fen und erst dort so rich­tig gese­hen, wie außer­ge­wöhn­lich er bei sei­ner Vor­hand aus­schwingt. Über den Kopf und mit einer unglaub­li­chen Beschleu­ni­gung und wil­den Arm­ro­ta­ti­on. Mei­ne Fra­gen nun: wie erklärt der Fach­mann die­se Tech­nik und wel­che Vor­tei­le oder ggf. auch Nach­tei­le bringt die­se doch recht sel­te­ne Schlag­tech­nik mit sich?! Soll­ten Kids dies auch in die­ser Form erler­nen oder eher die klas­si­sche Art vorn her­aus Rich­tung Schulter?!

Jörg Lin­den: Ja, der Rafa hat eine sehr spe­zi­el­le Bewe­gung — den Heli­ko­pter! Die­se Bewe­gung 1 zu 1 kopie­ren zu wol­len, ist nicht ein­fach und macht kaum Sinn. Ich mei­ne damit, dass die Bewe­gung für die All­ge­mein­heit zu kom­pli­ziert und somit nicht kom­pa­ti­bel ist. Es hat immer im Sport immer Sport­ler gege­ben, die sich von der Mas­se unter­schie­den haben.

Neh­men wir ein­mal den Stab­hoch­sprin­ger Ser­gej Bubka. Der Ver­band hat sei­ne Sprung­tech­nik stu­diert und woll­te nun, dass jeder die­se Tech­nik erlernt. Was der Ver­band in sei­ner Ana­ly­se nicht mit ein­be­zo­gen hat, war, dass Ser­gej aus dem Stand etwa 40 cm höher sprin­gen konn­te, als der Rest der Kon­kur­renz und somit war die­se Tech­nik für ande­re Hoch­sprin­ger kei­ne gute Lösung. Neh­men wir Boris Becker, der beim Auf­schlag oft einen leich­ten Vor­hand Griff hat­te. Durch sei­ne Stel­lung und sein unfass­bar bieg­sa­mes Hand­ge­lenk, konn­te er trotz des Grif­fes alle Auf­schlag­va­ria­tio­nen durch­füh­ren. Für die meis­ten ande­ren ist das fast nicht mög­lich. Um auf Rafa zu spre­chen zu kom­men, wird er wohl als Kind den Ball oft zu spät genom­men haben und muss­te so häu­fig über die Schlag­schul­ter, bzw. über den Kopf aus­schwin­gen. Nach und nach hat er die­sen Schlag dann auto­ma­ti­siert und per­fek­tio­niert. Er hat aus der Not eine Tugend gemacht. Die­sen Schlag sehen wir bei ande­ren Spie­lern nur bei Not­schlä­gen und in Ausnahmesituationen.

Stef­fi Graf war übri­gens eine der ers­ten Spie­le­rin­nen über­haupt, die die­sen Schlag auch öfter mal in der Not als Geheim­waf­fe auf­blit­zen ließ. Als Coach ler­ne ich dar­aus, dass ich mich schon an sport­wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­sen zu ori­en­tie­ren habe, jedoch darf ich nie­mals die posi­ti­ven Eigen­ar­ten des Schü­lers völ­lig auf den Kopf stel­len und ihn in sei­nem Ideen­reich­tum unter­schät­zen sowie ihm sei­ner Krea­ti­vi­tät berau­ben. Es gibt ganz wich­ti­ge und ein­zu­hal­ten­de Haupt­ak­tio­nen im Ten­nis, bei denen jeder Spie­ler gleich spielt, z.B. im Treff­punkt und in der kur­zen Treff­pha­se, jedoch ist es als Coach mei­ne Pflicht, die Hilfs­ak­tio­nen des Schla­ges indi­vi­du­ell zu ver­fei­nern und zu ver­bes­sern. Ich wün­sche viel Spass und in die­sen Zei­ten vor allem Gesund­heit für Dich und Dei­ne Familie.