Copingstrategien
Hallo Tennisredaktion! Kompliment zunächst einmal für Euren bunten Mix. Immer wieder schön und interessant zu lesen. Am meisten liebe ich den Expertenbereich. Habe hier schon sehr viele sehr gute Tipps für mich und mein Spiel mitnehmen können. Heute habe ich selbst eine Anfrage: Wie kann ich mir die Fähigkeit aneignen, gegen mich gerichtete äußere Einflüsse (Zurufe, Klatschen, etc.) positiv für mich umzumünzen. Novak Djokovic sagte nach dem letztjährigen Wimbledonfinale, angesprochen auf die frenetische Unterstützung für seinen Kontrahenten Roger Federer, er habe sich schlichtweg vorgestellt, die hätten alle NO-VAK und eben nicht RO-GER gerufen. Ganz so einfach ist es aber doch sicher nicht. Mich zumindest nerven und irritieren die äußeren Einflüsse…
Brigitte Neumann: Das, was Djokovic gesagt hat, ist vollkommen richtig. Wenn Dich etwas beim Tennisspiel irritiert, solltest Du Deine Aufmerksamkeit umlenken. Nämlich auf das, was JETZT gerade wichtig ist. Das braucht Übung – deswegen heißt es »Mental-TRAINING«. Das von Dir angesprochene Problem taucht vermutlich immer auf, wenn Dich etwas aus Deinem Spielrhythmus, aus Deiner Komfortzone bringt. Das kann die Provokation des Publikums sein, aber auch das Auftauchen eines für Dich wichtigen Menschen beim Match oder das provozierende Benehmen Deiner Gegnerin, unverständliche Entscheidungen des Stuhlschiedsrichters, auch extremer Wind, Hitze, schlechte Platzverhältnisse und vieles mehr. Zuerst musst Du Dir bewusst werden, wie sich es in Deinem Körper anfühlt, wenn Du beginnst, Dich genervt zu fühlen. Wie spürst Du diese Unruhe? Wirst Du aggressiver, unwirsch, beschimpfst Du Dich und Dein Spiel? Um Dich wieder auf Dein Können zu besinnen, brauchst Du Konzentration. Das Ausschalten unangenehmer Situationen bewältigst Du, indem Du sogenannte »Copingstrategien« anwendest. Wenn das und das passiert – dann machst Du das und das. Alleine zu wissen, dass Du etwas ändern kannst, nicht ausgeliefert bist, hilft Dir.
Nachfolgend einige Beispiele:
Wenn Du merkst, dass Du Dich vom Verhalten der Zuschauer gestört fühlst, dann nimmst Du Dir noch mehr Zeit für Dein Handeln. Dann nutzt Du vor einem Aufschlag Selbstgespräche zur Korrektur deiner Erregung: „Ich bin ruhig und total konzentriert. Alles um mich herum ist vollkommen unwichtig“. Und Du hältst Deine Augen ausschließlich auf das Spielfeld gerichtet. +++ Wenn Du bereit bist zum Return: Dann Du ziehst Deine ganze Aufmerksamkeit auf den Ball in der Hand der Gegnerin und sagst Dir: „Voller Fokus auf den kleinen gelben Ball!“ +++ Wenn die Gegnerin meckert, dann drehst Du Dich um, mit dem Schläger spielen, bereite Dich gedanklich vor auf das, was Du als nächstes umsetzen möchtest. +++ Wenn Du Dich unfair behandelt fühlst, dann sage Dir: „Jetzt erst recht“ und spüre, wie Kraft und Konzentration aktiviert werden.
All das übe bereits im Training, damit es im wichtigen Match dann immer öfters klappt. Während eines Trainingsmatches kannst Du Bekannte bitten, immer mal wieder plötzlich lautstark ins Spiel einzugreifen, Dich zu stören. Es wird garantiert nicht immer sofort funktionieren. Aber Du wirst gelassener werden und Dich seltener aus der Fassung bringen lassen. Starte jetzt! Viel Erfolg!