Liebe Regina.
Von Christoph Kellermann.
Ursprungsdatum: 30.06.2015
Immer wenn Du für ein paar Sekunden die Augen zu gemacht und Deinen Kopf leicht in den Nacken geworfen hast, wusste man, dass Du den Moment genießt. Meist waren es Situationen, die relativ unspektakulär waren: Ein gutes Essen vielleicht, ein Glas Dornfelder – oder gute Musik. Am besten live.

Unzählige Bilder habe ich im Kopf, denke ich an die gemeinsame Zeit mit Dir. Momente, die für immer im Gedächtnis bleiben. Momente, die Dich ebenso kurz und bündig wie treffend beschreiben. Du, die es gehasst hat zu verlieren – egal in welcher Sportart, gegen welchen Gegner oder bei welcher Art von Spiel. Ich erinnere mich an einen Spieleabend mit unseren Rollikids, wo Du es als Gastgeberin beim abschließenden Dartsturnier als Selbstverständlichkeit ansahst, Dein Team zum Sieg zu führen. Selten wurde ein charmant geselliger Abend derart abrupt beendet, weil Deine Pfeile nicht das Ziel fanden, Du unbelehrbare Dickköpfin.
Ich erinnere mich an eine Players-Party in Oberhausen, wo Du den mit Abstand schlechtesten Elvis-Imitator der Welt engagiert hattest, dies aber im Leben nie zugegeben hättest. Dein Motto: Niemals eine Schwäche zeigen! Nicht nur bei der Bewertung dieses besagten »Showacts« hattest Du eine sehr exklusive Meinung. Auch sonst oft, Du stolze Besserwisserin. Die Meinung Dritter war für Dich selten relevant. Immer mit dem Kopf durch die Wand.
Auch dem Schicksal wolltest Du Dich nicht ergeben. Satte 44 Jahre lang hast du der Fügung die Stirn geboten und mit dem Rollstuhl einen Pakt geschlossen. Das alles in der Dir eigenen Art. Damit musste man nicht immer klar kommen. Oft, ja sehr oft, hat es um Dich herum gekracht. Auch meinen Geduldsfaden hast Du zugegebenermaßen mehr als einmal strapaziert. Und doch kann man mit Fug und Recht behaupten, dass Dich all diese Eigenschaften genau das erreichen ließen, was Du in Deinem turbulenten Leben auf die Habenseite schaffen konntest: Unzählige Deutsche Meistertitel, Europameisterschaften, Weltmeisterschaften, Paralympische Medaillen, hochrangige Funktionärsposten – alles an dieser Stelle aufzulisten, würde gewiss den Rahmen sprengen.
Für Dein außergewöhnliches Engagement und Deine Erfolge wurde Dir im Namen des Bundespräsidenten sogar das »Silberne Lorbeerblatt« verliehen. Viel mehr geht nicht. Natürlich hast Du hierbei stets polarisiert und nicht nur Freunde um Dich geschart. Auch viele Neider hast Du auf den Plan gerufen. Die aber konnten Dich in Deinem Tun und Handeln nie blockieren. Vielmehr haben sie Dich motiviert. Wie oft warst Du Vorreiterin für richtungweisende neue Dinge, Du Revolutionärin. Oft kopiert, doch nie erreicht. Durchgesetzt hast Du Dich immer. Gegen alle Widerstände. Du Rebellin.
Du und ich. Irgendwie vom selben Schlag. Von Beginn an blind vertraut. Wir haben uns gestützt und auch gerieben. Verloren uns kurzzeitig aus dem Blick, aber nie aus dem Sinn. Die vielen Gespräche mit Dir waren stets geprägt von Initiative und haben mich sensibilisiert für die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Du großartige Motivatorin.
Kurzum: Ich habe Dir – auch und vor allem weit über das rote Aschenrechteck hinaus – sehr viel zu verdanken. Der erste Händedruck im Jahr 2004 in Hamm und unser letztes gemeinsames Essen in Köln werde ich nie vergessen. Bei einem Glas Kölsch hatten wir uns unmittelbar vor Deinem endgültigen Abschied wieder auf den Stand der Dinge gebracht, uns ausgesprochen. Selten zuvor hatte ich Dich so entspannt und aufgeräumt erlebt. Das Radio spielte wie für diesen Moment bestellt Deinen Lieblingssong: »Turn back the clocks«. Deine für einige Sekunden geschlossenen Augen verrieten mir die Bedeutung dieses Moments. Das macht mich stolz. Sehr stolz.
Nun hast Du Deine Augen wieder geschlossen. Diesmal für immer. Leise, aufgeräumt und unspektakulär bist Du fort. Das Ganze will nicht wirklich in meinen Kopf. Wie es Deine Art war, wirst Du auch auf der unfreiwilligen Zielgerade Deines Lebens Regie geführt haben. Ganz sicher sogar, denn niemals hättest Du zugelassen, dass Dich das Schicksal leiden lässt. Ich verneige mich vor Dir und sage DANKE für alles. Ich bin stolz, dass ich Dich auf Deinem großartigen Weg über viele Jahre hinweg begleiten durfte.
Dein Christoph