Classics Opener

Klimakterium

Kli­mak­te­ri­um


Von Chris­toph Kellermann.

Ursprungs­da­tum: 09.09.2018

Die 20-jäh­ri­ge Japa­ne­rin Nao­mi Osa­ka hat ihre fast dop­pelt so alte US-Ame­ri­ka­ni­sche Geg­ne­rin Sere­na Wil­liams im Fina­le der US Open bei ihrem 6:2, 6:4‑Erfolg mit ihrer stoi­schen Ruhe und Cool­ness an den Ran­de des Wahn­sinns getrie­ben. Die Rekord-Grand-Slam-Sie­ge­rin hat­te das Nach­se­hen und muss­te der bio­lo­gi­schen Uhr Tri­but zol­len. Und das ist auch gut so. Es ist längst Zeit für einen Generationen-Wechsel.

Serena Williams
© Jür­gen Hasenkopf

Die Alt­meis­te­rin zeig­te auch bei den US Open — noch dazu in der größ­ten Ten­nis-Are­na der Welt — ein­mal mehr kei­ner­lei Spaß, an dem was sie da tat. Im Gegen­teil: es bot sich den Zuschau­ern eben jenes Bild, wel­ches man von ihr kennt. Hän­gen­der Kopf, hän­gen­der Schlä­ger, schlur­fend-schlei­chen­de Bewe­gun­gen zwi­schen den Ball­wech­seln, für nicht weni­ge ver­kör­pert sie die pure Arro­ganz. Im heu­ti­gen Fina­le des letz­ten Majors des Jah­res wur­de sie — wie schon in Wim­ble­don — Gott sei Dank in die Schran­ken gewie­sen. Von einer Geg­ne­rin, die kei­ner­lei Angst oder Respekt vor dem gro­ßen Namen zeigte.

Serena Williams
© Jür­gen Hasenkopf

Wie­der wird sich Sere­na auf ihre kürz­li­che Geburt und die damit kom­mu­ni­zier­ten Kom­pli­ka­tio­nen beru­fen. Sie hat weder ihre Geg­ne­rin­nen, noch ihre eige­nen Hor­mo­ne im Griff. Immer wie­der fällt sie aus der Rol­le. Und nie akzep­tiert sie auf dem Court die Leis­tung ihrer Geg­ne­rin. Erst, wenn das Kind in den Brun­nen gefal­len ist, sprich: bei der Sie­ger­eh­rung, setzt sie wie­der ihr schau­spie­le­ri­sches Talent ein. „You real­ly deser­ved this title! You play­ed so well! You are fan­ta­stic! I am real­ly proud to share this court with You!” Bla, bla, bla. Das übli­che Gequat­sche, um von sich selbst abzu­len­ken. Nur eine Hand voll Fans und natür­lich die selbst­ver­lieb­ten Euro­s­port-Kom­men­ta­to­ren fal­len dar­auf rein und loben Sere­na als fai­re Sports­frau sowie deren Umgang mit der Nie­der­la­ge. Lächer­lich. Im Moment der Pokal­über­ga­be an die Geg­ne­rin könn­te sie die Welt umpflü­gen. Das ist Fakt.

In Sere­nas Kör­per funk­tio­nie­ren eini­ge Zusam­men­spie­le offen­sicht­lich nicht mehr. Sie ist nahe an den Wech­sel­jah­ren, in der Fach­spra­che: Kli­mak­te­ri­um. Gewichts­zu­nah­me, Ner­vo­si­tät, Reiz­bar­keit, Blut­hoch­druck, Leis­tungs­ab­fall, Über­emp­find­lich­keit, all dies kann man durch­aus mit­un­ter bei ihr aus­ma­chen. Die Kon­trol­le geht bei ihr an ver­schie­de­nen Orten im Kör­per offen­bar flö­ten. Vor allem im Hypo­tha­la­mus, einem Teil ihres Gehirns. Stress und Angst kann sie ganz offen­sicht­lich nicht mehr steu­ern. Sie wirkt unbe­herrscht, teil­wei­se hilf­los. Sie pro­du­ziert Dop­pel­feh­ler am lau­fen­den Band, sucht hän­der­rin­gend nach Hand­zei­chen vom Coach und muss dem unge­heu­ren Tem­po der jün­ge­ren Kon­kur­renz immer wie­der Tri­but zollen.

Osa­ka war dies alles scheiß­egal. Sie hat ihrer hoch­de­ko­rier­ten Geg­ne­rin den brei­ten Hin­tern ver­sohlt. Eis­kalt. Auch das Publi­kum im »Arthur Ashe« war eine Kata­stro­phe. Auch dies war Osa­ka scheiß­egal. Aus die­sem Hexen­kes­sel musst Du Dich in Dei­nem ers­ten Grand-Slam-Fina­le erst mal mit dem Pokal ver­ab­schie­den. Das war in die­ser Sai­son die mit Abstand größ­te sport­li­che Leis­tung im Damen­ten­nis. Osa­ka rules.

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