Classics Opener

Kein Nachwuchs, keine Erfolge.

Kein Nach­wuchs, kei­ne Erfolge.


Von Marc Raffel.

Ursprungs­da­tum: 28.11.2019

Wer sich gründ­lich mit der hie­si­gen Ten­nis­land­schaft beschäf­tigt, beginnt sei­ne Lek­tü­re meist ambi­tio­niert und vol­ler Erwar­tun­gen, wird dann jedoch sehr bald von Ernüch­te­rung und Ent­täu­schung ein­ge­holt. Wovon ist die Rede? Anlass unse­rer Ernüch­te­rung war der aktu­el­le Fall, dass der so ambi­tio­nier­te TC Bre­de­ney e.V., der sport­lich wohl erfolg­reichs­te Ver­ein des Ten­nis­ver­ban­des Nie­der­rhein, jüngst sei­ne Tur­nier­li­zenz für ein Damen-Welt­rang­lis­ten-Ten­nis­tur­nier an die ITF (Inter­na­tio­nal Ten­nis Fede­ra­ti­on) zurück gege­ben hat. Schnell fiel uns auf, dass wir mit unse­ren bei­den Ten­nis-Ver­an­stal­tun­gen, dem ITF World Ten­nis Tour Event und dem ATP Ten­nis­tur­nier in Meer­busch, im kom­men­den Jahr die ein­zi­gen zwei inter­na­tio­na­len Aktiv­en­tur­nie­re (Damen/Herren) im Ten­nis­ver­band Nie­der­rhein aus­rich­ten. Und wenn unse­re Agen­tur seit letz­tem Jahr nicht das ITF Ten­nis World Tour Event in Trois­dorf ver­an­stal­ten wür­de, gäbe es im gan­zen Ten­nis­ver­band Mit­tel­rhein (immer­hin ein Gebiet mit der Metro­po­le Köln, Bonn, Aachen, usw.) kein ein­zi­ges Akti­ven-Welt­rang­lis­ten-Ten­nis­tur­nier. Im Seg­ment Leis­tungs­ten­nis sind also nun die Städ­te Meer­busch und Trois­dorf an Rhein & Ruhr das »Maß aller Dinge«.

Marc Raffel
© MaRa

ATP-Ten­nis­tur­nier ohne Unter­stüt­zung des Verbandes…

Das erfüllt natür­lich einer­seits mit Stolz, bie­ten wir doch Top­s­port­lern und Nach­wuchs­cracks ein Sprung­brett, eine Büh­ne und eine Per­spek­ti­ve für Kar­rie­re und Zukunft und einem begeis­ter­ten Publi­kum ein tol­les Pro­gramm. Auf der ande­ren Sei­te stellt man natür­lich fest, dass aus­ge­rech­net unse­re Ten­nis-Leucht­turm­pro­jek­te von der För­de­rung des Ten­nis­ver­ban­des Nie­der­rhein (TVN) aus­ge­schlos­sen wer­den. Das ATP Ten­nis­tur­nier in Meer­busch, die sport­lich bedeu­tends­te Ten­nis­ver­an­stal­tung an Rhein & Ruhr, erhält z.B. vom zustän­di­gen TVN kei­ner­lei Unter­stüt­zung. Das ist ein­zig­ar­tig in Deutsch­land, denn die übri­gen deut­schen ATP Chal­len­ger Ver­an­stal­tun­gen in den Lan­des­ver­bän­den Bay­ern, Nie­der­sach­sen, Hes­sen, Würt­em­berg und Rhein­land Pfalz wer­den von ihren Lan­des­ver­bän­den kräf­tig unter­stützt. Die letz­te Begrün­dung der Ver­ant­wort­li­chen des TVN lau­te­te: „…man hät­te schlicht kei­ne Ten­nis­spie­ler, die an solch einem Event teil­neh­men könn­ten.“ Ver­ste­he das wer will… Ich jeden­falls nicht, denn es gibt wahr­lich genug Top­spie­ler in der Regi­on, die sich die Fin­ger nach einer Teil­nah­me lecken wür­den und die­se auch ver­dient hät­ten. Durch die abge­sag­te Koope­ra­ti­on mit unse­rem ATP Ten­nis­tur­nier in Meer­busch ver­wehrt der Ten­nis­ver­band Nie­der­rhein sei­nen eige­nen Top-Spie­lern die Teil­nah­me am Haupt­feld und der Qua­li­fi­ka­ti­on im Ein­zel- und Dop­pel-Wett­be­werb. Kon­se­quen­ter kann man den eige­nen Akteu­ren und Nach­wuchs­spie­lern ein Des­in­ter­es­se am Spit­zen­ten­nis nicht mehr zeigen.

Die IG Ten­nis NRW han­delt gegen ihre eige­nen Interessen…

Der Ver­such das ATP Ten­nis­tur­nier in Meer­busch als »Inter­na­tio­na­le NRW Meis­ter­schaf­ten« aus­zu­rich­ten, schei­ter­te genau an den Per­so­nen und Struk­tu­ren (z.B. die IG Ten­nis NRW, ein Ver­bund der drei rhei­ni­schen Ten­nis­ver­bän­de Mit­tel­rhein, Nie­der­rhein und West­fa­len) deren ori­gi­nä­re Auf­ga­be es ist, den Pro­fi-Ten­nis­sport im Auf­trag des Lan­des NRW zu stär­ken und zu för­dern. Zwei­mal bemüh­ten wir uns, um die­ses Pro­jekt — zwei­mal erhiel­ten wir eine Absa­ge. Kein ein­zi­ges mir bekann­tes Pro­jekt — trotz Mit­tel­be­reit­stel­lung durch das Land — hat die IG Ten­nis NRW bis­her ins Leben geru­fen, bzw. auf­fäl­lig geför­dert. Offen­sicht­lich wur­de alle Ener­gie lie­ber in das Ver­hin­dern von Pro­jek­ten und Ideen inves­tiert. Im offi­zi­el­len Struk­tur­plan der IG Ten­nis NRW ist ganz zu Beginn die Rede von (Zitat): „Das pri­mä­re Ziel des Struk­tur­pla­nes der IG Ten­nis NRW ist die Dar­stel­lung einer best­mög­li­chen Aus­bil­dung und Vor­be­rei­tung der jugend­li­chen Talen­te auf eine mög­li­che Pro­fi­kar­rie­re“. Ob ein Ver­ant­wort­li­cher die­ser Ver­ei­ni­gung sei­nen eige­nen Struk­tur­plan wohl schon ein­mal gele­sen hat? Von die­sen Ver­stö­ßen gegen die Nor­men der »good gou­ver­nan­ce« nega­tiv betrof­fen sind vor allem die vie­len Sport­ler und Talen­te, denen die gro­ße Per­spek­ti­ve in der hei­mi­schen Regi­on durch Spiel­chen und schlech­te Tricks genom­men wird.

Mit­glie­der­schwund — war­um wer­den dann neue Ver­ei­ne ausgeschlossen?

Ten­nis Lan­des­ver­bän­de, die Spit­zen-Ten­nis­tur­nie­re im Akti­ven­be­reich (Damen/Herren) nicht för­dern bzw. unter­stüt­zen ver­sto­ßen gegen ihre eige­ne Funk­ti­on und behin­dern den nach­hal­ti­gen Auf­bau von Spit­zen­sport­struk­tu­ren. Hier­zu fällt mir ein wei­te­rer Fall ein. Zur Zeit bemü­hen wir uns mit unse­rem jun­gen Ten­nis­ver­ein TB Meer­busch e.V. um eine Wie­der­auf­nah­me in den Ten­nis­ver­band Nie­der­rhein bzw. Ten­nis Bezirk 3 Düs­sel­dorf. Aus­ge­wie­sen wur­de unser Ver­ein, obwohl gemein­nüt­zig und Mit­glied im LSB, weil er nicht recht­zei­tig drei Mann­schaf­ten für den Spiel­be­trieb mel­den konn­te. Wer sich im ambi­tio­nier­ten Ten­nis­sport etwas aus­kennt, weiß, dass es für eine Leis­tungs­sport­kar­rie­re vor allem auf Erfol­ge auf natio­na­len und inter­na­tio­na­len Ein­zel­tur­nie­ren ankommt und weni­ger auf die Teil­nah­me an Team­wett­be­wer­ben. Bezir­ke haben somit ein­zel­ne Sport­ler bzw. Sport­le­rin­nen zu die­nen und zu för­dern und nicht aus­schließ­lich den Teamwettbewerb.

Ver­dien­ten und kom­men­den Top­s­port­lern der TB Meer­busch e.V. bleibt jeden­falls aktu­ell jede Tür ver­schlos­sen, um über die Mit­glied­schaft in einem Sport­fach­ver­band an wich­ti­ge För­der­mit­tel zu gelan­gen. Wohin die­se statt­des­sen flie­ßen, bleibt ange­sichts des teils erschre­cken­den Zustands des regio­na­len Ten­nis­nach­wuch­ses ein Geheim­nis. Man darf sich also nicht wun­dern, wenn es mit den Erfol­gen unse­rer jun­gen Ten­nis­ta­len­te weit her ist. Und: in Zei­ten von wei­te­rem Mit­glie­der­rück­gang soll­te doch jeder Ten­nis­be­zirk über jeden zusätz­li­chen Ver­ein froh sein!? In die­sem Zusam­men­hang spricht TB Meer­busch Geschäfts­füh­rer Chris­ti­an Ohm — Jurist & DTB A‑Trainer — gar von einem Bruch des § 52 zur Abga­ben­ord­nung, wonach grund­sätz­lich sei­tens der Verbände/Bezirke kei­ne Aus­gren­zun­gen vor­ge­nom­men und die­se auch nicht poli­tisch tätig wer­den dür­fen. Inter­es­sant dar­an ist, dass die­se Aus­gren­zung vor allem leis­tungs­am­bi­tio­nier­te Struk­tu­ren und Per­so­nen erle­ben. Die­ser uner­träg­li­che Zustand steht im übri­gen im völ­li­gen Wider­spruch zum aktu­el­len Koali­ti­ons­ver­trag der nord­rhein-west­fä­li­schen Lan­des­re­gie­rung, wonach der Leis­tungs­sport aus­drück­lich einer erheb­li­chen För­de­rung bedarf, um die inter­na­tio­na­le Wett­be­werbs­fä­hig­keit sicher­zu­stel­len. Im Fal­le des Ten­nis­sports, zumin­dest am Nie­der­rhein, bleibt die­ser Satz lei­der Schall und Rauch.

Auch mein drit­ter Fall belegt die­se Behaup­tung: Seit zwei Jah­ren sind vier von uns orga­ni­sier­te DTB-Jugend­rang­lis­ten­tur­nie­re aus der Wer­tung genom­men wor­den. Die Ver­ant­wort­li­chen des TVN win­den sich mit Begrün­dun­gen oder suchen mehr schlecht als recht nach Vor­wän­den, genann­te Ver­an­stal­tun­gen nicht zu zulas­sen. Die betrof­fe­nen, ambi­tio­nier­ten Kin­der und Jugend­li­che im TVN kön­nen also vor der Tür kei­ne wert­vol­len DTB-Rang­lis­ten­punk­ten mehr gewin­nen, son­dern müs­sen weit rei­sen, teil­wei­se meh­re­re hun­der­te Kilo­me­ter, um ein ver­gleich­ba­res DTB-Rang­lis­ten­tur­nier zu fin­den. Schnell wird klar, wer mal wie­der auf der Ver­lie­rer­sei­te die­ser Ver­wei­ge­rungs­hal­tung des Ten­nis­ver­ban­des Nie­der­rhein steht: die Kin­der, Jugend­li­chen und deren Eltern, eigent­lich der gesam­te Talent- und Nach­wuchs­be­reich. Wenn der Ten­nis­sport eine Trend­wen­de zum aktu­ell immer noch anhal­ten­den Mit­glie­der­schwund schaf­fen und im inter­na­tio­na­len Ver­gleich wie­der qua­li­ta­tiv wett­be­werbs­fä­hig wer­den möch­te, müs­sen die Struk­tur- und För­der­richt­li­ni­en drin­gend über­dacht oder kon­se­quent umge­setzt bzw. befolgt werden.

Trau­ri­ge Gewiss­heit: Ten­nis­ver­band bekämpft eige­ne Leuchtturmprojekte!

Ten­nis- und Sport­po­li­tik aus dem Hin­ter­zim­mer ist Gift für die Sport­ler. Die beschrie­be­nen Miss­stän­de im Ten­nis­ver­band Nie­der­rhein ver­hin­dern jeden­falls ziel­ge­rich­te­te Talent­för­de­rung und erfolg­rei­che Ten­nis­sport­ler und Sport­le­rin­nen aus der Regi­on auf lan­ge Zeit. Ein Weg an die Ten­nis­spit­ze darf nicht nur Pri­vat­in­itia­ti­ven über­las­sen wer­den, son­dern dies ist vor allem auch eine Auf­ga­be der öffent­li­chen Struk­tu­ren und Ver­bän­de. Und so lan­de ich wie­der beim TC Bre­de­ney und sei­nem Damen-Welt­rang­lis­ten-Ten­nis­tur­nier. Mit der Lizenz­rück­ga­be wird ein wich­ti­ger Pool und Hot-Spot für das Damen- und Nach­wuchs­leis­tungs­ten­nis im Nie­der­rhein schmerz­lich feh­len. Der ande­re Ten­nis-Hot­spot im Nie­der­rhein liegt in Meer­busch. Die­ser wehrt sich zeit­gleich mit allen Kräf­ten gegen das kon­tra­pro­duk­ti­ve und leis­tungs­feind­li­che Ver­hal­ten des eige­nen Bezirks und des Verbandes.

Bei­trags­emp­feh­lung: Lies hier­zu auch den Blog von Frank Hof­en zum West­fä­li­schen Ten­nis-Ver­band sowie das Inter­view mit Marc-Kevin Goell­ner zum Ten­nis-Ver­band Mittelrhein.

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