Held, Depp oder Pechvogel?
Von Christoph Kellermann.
Ursprungsdatum: 04.03.2017
Was war das ein Fight von Philipp Kohlschreiber gegen den Weltranglistenersten Andy Murray im Viertelfinale von Dubai! Beide an diesem epischen Duell beteiligten Protagonisten waren sich im Nachgang nicht sicher, ob sie so etwas in ihrer Karriere noch mal erleben würden. Ein Tiebreak, der 31 Minuten andauert, ein Herausforderer, der dem Branchenprimus alles, aber auch wirklich alles abforderte. Nicht weniger als sieben Matchbälle hat Kohlschreiber vergeben, oder sollen wir besser sagen: sieben Matchbälle hat die Nummer eins der Welt abgewehrt — und zwar in einer Manier, wie es nur ein ganz, ganz Großer kann?! Ist Kohlschreiber nun ein Depp ob der liegen gelassenen Möglichkeiten oder einfach nur ein Pechvogel, der den ganz großen Wurf leider nicht schaffen konnte?!

Nun, wer die entscheidenden Szenen gesehen hat, der weiß, dass der Deutsche nicht viel falsch gemacht hat. Er war mutig, er hat riskiert, bei eigenem Matchball die Aufschläge des Schotten extrem scharf returniert, aber auf der anderen Seite steht halt nicht »Irgendwer«, sondern einer der absolut Besten. Trotzdem: Der meist umstrittene Spieler Kohlschreiber hat gezeigt, wozu er fähig sein kann. Dass er an einem sehr guten Tag nahezu Jeden schlagen kann. Dass er durchaus in der Lage ist, die Fans mit seinem unfassbaren Talent auf seine Seite zu ziehen. »KOHLSCHREIBER BEGEISTERT!« — diese tolle Schlagzeile dürfen wir Journalisten nachweislich recht selten in die Tastatur hämmern. Ihm ist zu wünschen, dass er das Momentum von Dubai in die kommenden Turniere tragen kann. Zu den sportlichen Leistungen, die es nun zu wiederholen gilt, gesellt sich aber auch die Charakterfrage abseits des Platzes, der glaubwürdige Umgang mit der Öffentlichkeit, ein demütiger Umgang mit den Fans. Geben wir ihm eine weitere Chance. Es ist selten zu früh und nie zu spät.