Für den DTB zu intelligent
Von Christoph Kellermann.
Ursprungsdatum: 22.07.2018
Weltstadt Hamburg, Juli 2018. Wimbledonsieger und Turnierdirektor Michael Detlef Stich, der sich seit 2009 an der Haller Straße am Rothenbaum für die »German Open« als Turnierdirektor verantwortlich zeigt, bläst an historischer Stätte zu seinem ultimativ letzten Angriff, ehe er das Boot der 500er-Turniers im hohen Norden verlassen muss. 2009 vom Deutschen Tennis Bund als Retter des einstigen ATP-Masters-Series-Events angeheuert, heute von eben jenem Verband jämmerlich vom Schiff gejagt.

2009 sagte der heutige DTB-Vizepräsident Dirk Hordorff im Gespräch mit den geschätzten Kollegen Böseler und Kosinski vom »tennismagazin«, Michael Stich hätte das Turnier am Rothenbaum in leitender Funktion schon viel früher übernehmen sollen als 2009 und dass mit Michael Stich an der Spitze wieder mehr Glaubwürdigkeit einziehen werde. Außerdem lobte Hordorff die wirtschaftlich starke lokale Vernetzung Stichs und dessen enorme Persönlichkeit. Dass Stich bei seiner Übernahme in 2009 nicht schlechtere Bedingungen hätte vorfinden können, blieb von Hordorff ebenfalls nicht unerwähnt.
Stich selbst blickt in zahlreichen Interviews auf eine ereignisreiche Zeit als Turnierdirektor zurück. Federer, Nadal, Zverev, alle haben sie den »German Open« in den vergangenen neun Jahren ihren Stempel aufgedrückt. Man habe, so Stich, aus einem guten Turnier ein sehr gutes gemacht. Nun also bricht der DTB mit einer seiner schillerndsten Persönlichkeiten und wenigen Aushängeschilder. Wieder einmal. Der Österreicher Peter Reichel soll die »German Open« — gemeinsam mit seiner Tochter Sandra — zu neuem Glanz führen. Dass Wimbledon- und Olympiasieger Michael Stich dies wurmt, ist wohl verständlich. Dass er von Hordorff und dem DTB eiskalt abgesägt wurde, darf er wohl persönlich nehmen. Michael Stich ist intelligent und selbstbewusst. Ein Mann, der weiß, was er kann. Solche Menschen sind für ein Konstrukt wie einen Tennisverband immer unangenehm. Sie stören. Funktionäre können sich mit solchen »Machern« nicht im Sinne der Sache zusammenraufen. Michael Stich ist keine Marionette. Das wurde ihm zum Verhängnis.
Hordorff selbst fühlt sich in seinem Denken und Tun übrigens bestätigt, stellte er sich doch dieser Tage kopfschüttelnd vor die Presse, als Michael Stich bei seinem letzten Rothenbaum-Turnier nur zwei der drei zu vergebenen Wildcards an deutsche Spieler verteilte. Die dritte Wildcard gab Stich dem Norweger Casper Ruud. Der DTB habe mit der Neuausrichtung mit Peter Reichel dafür gesorgt, dass so etwas in Zukunft nicht mehr passieren könne, so Hordorff. Dirk, stehen Stichs Amtskollegen Edwin Weindorfer (Turnierboss MercedesCup in Stuttgart, Wildcard an den Tschechen Tomas Berdych), Patrik Kühnen (Turnierboss BMW Open in München, Wildcard an den Norweger Casper Ruud) und vor allem Peters Tochter Sandra Reichel (Turnierchefin beim Nürnberger Versicherungscup, Wildcard an die Amerikanerin Sloane Stephens) nun ebenfalls auf Deiner Abschussliste?
Dass Michael Stich am Wochenende seines letzten Auftritts am Rothenbaum am gestrigen Samstag im US-Amerikanischen Newport als sechster Deutscher in die »International Hall of Fame« aufgenommen wurde, passt irgendwie ins schiefe Bild des DTB. Global als Tennislegende anerkannt und gehuldigt, hierzulande verärgert und vertrieben, weil mündig, unbequem und für den Deutschen Tennis Bund vielleicht ein wenig zu intelligent.