Berater, Freund, Katalysator
Von Stephan Lamprecht.
Ursprungsdatum: 21.05.2020
Wenn ich auf Turnieren unterwegs bin, dann schaue ich mir – wie Ihr sicherlich auch – die Matches auf den Show-Courts an. Noch viel lieber halte ich mich aber auf den Trainingsplätzen auf. Hier kann man den Spielern bei ihren Matchvorbereitungen über die Schulter schauen, in der Regel sind sie hier auch etwas lockerer und entspannter bei der Sache, machen mal ein kleines Späßchen oder flachsen mal mit ’nem Tourkollegen auf dem Nebenplatz herum. Ist ja irgendwie auch logisch. Keine unüberschaubaren Fanmassen, keine Schiris und Linienrichter, kaum Fotografen oder Kamerateams, die jede nur so kleine Regung, jede Geste, jedes Herausfummeln deiner Unterhose aus der Po-Ritze live in die Wohnzimmer auf diesem Tennisplaneten übertragen. Auf dem Trainingsplatz können sich die Cracks mal ein bisschen chilliger benehmen. Ganz im Gegensatz zu ihren Coaches!
Besser im Hintergrund agieren
Nun, ich habe ja auch einige Jahre auf der Tour verbracht. Erst als Spieler, danach als Coach. Irgendwie habe ich meine Tätigkeit immer so interpretiert, dass ich voll und ganz für meinen Spieler da zu sein habe und im Hintergrund agiere. Gleiches gilt natürlich auch für meine heutige Zeit als Mental-Coach! Ich wollte jeden noch so klitzekleinen Ruckler im Timing eines Schlages erkennen, bevor daraus vielleicht ein gravierender Fehler entstehen könnte. Kleinste Abweichungen in den Bewegungsabläufen sofort sehen, besprechen und in Zusammenarbeit mit meinem Spieler korrigieren. Gefühlsschwankungen, emotionale Unsicherheiten oder Probleme im Umfeld frühzeitig und möglichst im Keim ersticken. Meine Aufgabe als bedachter Coach ist es, meinen Spieler, vergleichbar mit einer hochgezüchteten und somit immer auch sehr anfälligen Formel-1-Kiste, möglichst zufrieden und schön rund und schnurrend am laufen zu halten. Das ist nun wahrlich keine leichte Aufgabe.
Reichlich Stressfaktoren
Stressfaktoren gibt’s genügend und immer sollte der Coach als Berater, Freund und Katalysator Gewehr bei Fuß bereit stehen – und das alles ganz dezent im Hintergrund. Denn, der Hauptakteur ist nun mal der Spieler. Sollte man zumindest meinen. Darüber scheinen sich viele der Tour-Coaches nicht mehr so ganz im Klaren zu sein. Stolzieren teilweise, aufgeplustert wie französische Gockel um ihre Hühner, im Tenniskäfig herum. Kommunikation mit dem Spieler: Null! Lasziv Tennisschläger schwingend, obwohl sie sich vielleicht besser daran täten, Bälle zu sammeln. Die Racketbags vollgestopfter und dicker als die der Hauptakteure. Das alles so cool und lässig, dass man sich als Zuschauer fast schon fragt, wer in dem Team denn später auf dem Centre-Court das Preisgeld verdienen soll. Die einzige Erklärung, die mir dazu einfällt: Das Leben auf der Tour kann sehr einsam sein. Natürlich auch für Coaches. Vielleicht erbarmt sich ja das eine oder andere Tennisgroupie und gibt den Gockel-Coaches auch mal ’ne Breakchance.