Asoziale Medien
Von Christoph Kellermann.
Ursprungsdatum: 30.11.2019
Sobald die »ATP Finals« Geschichte sind, geht es in den letzten Wochen des Jahres in den einschlägigen Tennis-Gazetten traditionell eigentlich nur um weitestgehend Belangloses. Zum Beispiel, dass Rafa Nadal in Kuwait seinen nächsten Akademie-Standort an den Globus getackert hat. Den wievielten eigentlich?! +++ Oder dass Alexander Zverev eine »Neue« an seiner Seite hat. Leute: Wayne interessiert‘s?! Lasst ihn doch ainfach in Ruhe! Zumindest abseits des Tennis-Courts. Am besten, liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihr bucht Euch selbst in Saschas mexikanisches Urlaubshotel ein und versteckt Euch hinter Hecken, um noch näher dran zu sein. Was für eine erbärmlich arme journalistische Leistung, dies darüber hinaus auch noch als Aufmacher nutzen…

Natürlich werden die Stars nicht müde, in den asozialen Netzwerken Fotos ohne Ende aus ihren wohl verdienten Urlauben zu posten. Auf Platz eins rangieren hierbei selbstverständlich Posen in heißer Bademode von den atemberaubendsten Traumständen und Infinity-Pools dieser Welt, wobei wie immer ein Foto dem anderen gleicht. Was sollen uns diese Bilder suggerieren? Vermeintlich makellose Körper und Tennisschönheiten, denen die Menschheit — wie immer chancenlos — nacheifern möchte (männlich wie weiblich, meist retuschiert, denn — welch ein Wunder — den makellosen Körper gibt es ja gar nicht) sowie Reichtum und Luxus. Auch Letzteres bleibt für den normal arbeitenden Mensch in der Regel ebenfalls außer Reichweite. Das Ergebnis: Purer Neid, sozialer Druck und Unzufriedenheit. Und doch hebt die verdummte Menschheit zu Hunderttausenden den Daumen nach oben…
Keine Frage: Die »sozialen Medien« sind mitunter so asozial, wie sie asozialer nicht sein könnten. Bei den Fotos, die gepostet werden, würde ich mich selbst stets fragen „…muss ich jetzt wirklich der oder die Hundertste sein, der oder die dieses Motiv in die Welt schickt?” oder „…was empfinden meine Follower, denen ich diese Bilder auf die Smartphones schicke?” Die Wahrheit ist: Die Spielerinnen und Spieler sind absolut schmerzfrei. Alles wiederholt sich. Eugenie Bouchard beispielsweise hat gefühlt kein Match auf der 2019er-Tour gewonnen, postet aber wie eine Bekloppte Bilder von sich und ihren Werbepartnern. Schlimm, dass Hunderttausende das immer noch liken. Zwei Millionen Menschen folgen ihr. Nur die User sind gefühlt noch bekloppter, als die ach so tollen Stars der asozialen Medien.
Geil sind auch jene Spielerinnen und Spieler, die ein „Thanks for an amazing week” raus hauen, obwohl sie bereits nach der Quali oder dem ersten Turniertag die Koffer packen mussten. Namen nenne ich da jetzt lieber nicht. Wer damit zufrieden ist, ein oder zwei Matches überlebt zu haben, wird es sportlich wohl nie schaffen. Aber wenn die Erfolge dauerhaft ausbleiben, bleibt ja immer noch der zweite Bildungsweg: Eine Karriere als Influencer(in). Jemand also, der gutgläubige Menschen um jeden Preis beeinflussen will und soll. Ohne Rücksicht auf Verluste. Diese Menschen führen ein schäbiges Leben am Rande der Gesellschaft.