Absolut pervers
Von Christoph Kellermann.
Ursprungsdatum: 04.11.2019
Soll mir jetzt niemand kommen, von wegen »mer muss och jünne künne«. Wer sich quält, aufopfert und Top-Leistungen abliefert, soll dafür auch belohnt werden, ganz klar. Aber welche Wochenleistung, respektive: Welcher Sportler ist für vier Siege in fünf gespielten Tennismatches knapp vier Millionen Euro wert?! So viel hat nämlich die Australierin Ashleigh Barty, die ich für eine äußerst sympathische Vertreterin der Zunft halte, im chinesischen Shenzhen für ihren Titel bei den WTA-Finals abgesahnt. Satte 305.000 US-Dollar hat Barty durch ihre Niederlage gegen Nachrückerin Kiki Bertens sogar noch liegen gelassen.

Der Sport-Informations-Dienst »sid« hat dieser Tage einige interessante Zahlen zusammengetragen. Demnach schraubte Barty ihre Saisoneinnahmen 2019 auf finale 11,3 Millionen US-Dollar. Zum Vergleich: Steffi Graf hat dem »sid« zufolge für unfassbare 22 Grand-Slam-Einzelsiege zusammen gerade einmal knapp 22 Millionen US-Dollar kassiert. Wo bitte soll sich diese Preisgeldspirale noch hinbewegen?!
Aktive wie Barty können nichts dafür. Sie nehmen das Momentum selbstverständlich gerne mit. Aber alles in allem ist diese Entwicklung doch schlichtweg pervers. Das kannst Du auf der Tribüne der Krankenschwester oder dem Feuerwehrmann und auch allen anderen Fans, die sich die Tickets von der Backe absparen, nicht mehr erklären. Wobei: Die meisten Matches auf der Tour finden ja ohnehin mittlerweile vor verwaisten Rängen statt. So auch in Shenzhen. Da waren gefühlt ebenfalls nur die engsten Verwandten und ein paar Offizielle anwesend. Noch dazu waren die finalen Shoot-Outs bei den Ladies von Übermüdungen nach einer langen Saison und Verletzungen geprägt. Drei Mal hieß es »retired« (Bencic, Andreescu, Bertens), dazu zogen zwei Spielerinnen wie Osaka während der Turnierwoche gänzlich raus. Alles doch sehr fragwürdig.