Classics Opener

»50 Jahre Schultennis«

»50 Jah­re Schultennis«


Von Chris­toph Kellermann.

Ursprungs­da­tum: 21.10.2020

Schu­le und Ten­nis: Seit 50 Jah­ren ein star­kes Dop­pel!«, so heißt es in der Pres­se­mit­tei­lung des Deut­schen Ten­nis Bun­des vom gest­ri­gen Tage. Wei­ter: »Seit 50 Jah­ren wird in deut­schen Schu­len auch Ten­nis gespielt. Ein Grund zum Fei­ern, denn in die­sen fünf Jahr­zehn­ten wur­de viel erreicht.« Irgend­wie kann ich das nur bedingt unter­schrei­ben. Als wäre Ten­nis im Sport­un­ter­richt im letz­ten hal­ben Jahr­hun­dert irgend­wann mal ein zen­tra­les The­ma gewe­sen. Weder zu mei­ner akti­ven Schul­zeit durf­te ich den Ten­nis­schlä­ger mit in die Schu­le neh­men, noch habe ich in der Fol­ge davon gehört. Aus­nah­men mögen selbst­ver­ständ­lich wie immer die Regel bestätigen.

»Löf­fel­schwin­ger«

Ich hat­te in den »80ern« mal das Ver­gnü­gen, die Schu­le aktiv zu ver­tre­ten. Als wir mit unse­rer Aus­wahl des Gym­na­si­um Alt­lü­nen einst ins NRW-Fina­le ein­zo­gen und bei unse­rer Heim­kehr im Klas­sen­zim­mer vol­ler Stolz den Pokal prä­sen­tier­ten, kom­men­tier­te unser Klas­sen­leh­rer Dirk Osten­dorf: „Ich mag kei­ne Löf­fel­schwin­ger! Wärt Ihr mal lie­ber im Unter­richt geblie­ben…” Nein, rich­ti­ges »Schul­ten­nis« habe ich weder zu Kin­der- oder Jugend­zei­ten erlebt, noch als Trai­ner. Zwar habe ich als Ver­eins­coach oft die Koope­ra­ti­on zu Kin­der­gär­ten und Grund­schu­len gesucht und hier ein­mal wöchent­lich auch stets 30 bis 40 Kin­der nach­mit­tags auf die Ver­eins­an­la­ge zie­hen kön­nen, hier aber von »Schul­ten­nis« zu reden?! Ich weiß nicht…

Ten­nis kei­ne Kerndisziplin

Wenigs­tens rückt der DTB sei­ne Schlag­zei­len wei­ter unten im Text ein wenig zurecht. Da heißt es nämlch: „50 Jah­re spä­ter gehört Ten­nis zwar nicht wie bei­spiels­wei­se Leicht­ath­le­tik zu den Kern­dis­zi­pli­nen im Sport­un­ter­richt, ist aber aus dem Gesamt­kon­text des Schul­sports nicht mehr weg­zu­den­ken.« Eta­bliert ist mei­ner Mei­nung nach ledig­lich die Akti­on »Jugend trai­niert für Olym­pia«. Enga­gier­te Schu­len spie­len gegen­ein­an­der — lokal, regio­nal und schließ­lich auf Bun­des­ebe­ne, um im Ide­al­fall schluss­end­lich den Sprung zur Schul­ten­nis-Welt­meis­ter­schaft zu schaf­fen. Aber: die­je­ni­gen, die an sol­chen Aus­schei­dun­gen teil­neh­men, beherr­schen ihr Werk schon sehr gut und kön­nen bereits ent­spre­chend ordent­lich mit Ball und Schlä­ger umge­hen. Für die brei­te Mas­se oder gar eine Mit­glie­der-Neu­ge­win­nung ist das nix.

Ver­ei­ne müs­sen es selbst richten

Letzt­lich liegt es wie­der ein­mal an der Inno­va­ti­on und dem Ein­satz der Ten­nis­ver­ei­ne und deren Coa­ches, sich zu enga­gie­ren, auf die Kin­der­gär­ten und Schu­len zuzu­ge­hen und dort müh­sa­me Über­zeu­gungs­ar­beit zu leis­ten. »Vit­amin B« vor Ort tut gut, sprich: Leh­re­rIn­nen oder Kin­der­gär­te­rIn­nen anzu­tref­fen, die viel­leicht selbst Ten­nis spie­len oder dem Ten­nis­sport offen ent­geg­nen. Erst wenn Ten­nis im Sport­un­ter­richt der Schu­len flä­chen­de­ckend irgend­wann ein­mal eine mehr­wö­chi­ge Stre­cke zuge­teilt und die Basics in der Sport­hal­le vor Ort wirk­lich gelehrt wer­den, kön­nen wir von ech­tem »Schul­ten­nis« reden. Die bes­te Gele­gen­heit Mitte/Ende der »80er« rund um den ein­zig­ar­ti­gen Boom um Stef­fi und Boris jeden­falls, wo aus »Löf­fel­schwin­gern« »gigan­ti­sche Welt­stars« wur­den, hat man auf allen Ebe­nen sträf­lich daher­ge­schenkt und auch sage und schrei­be drei Grand-Slam-Erfol­ge von Angie Ker­ber wuss­te man nicht zu nut­zen, um Kin­der und Jugend­li­che in der brei­ten Mas­se zu begeistern.

Vor­zei­ge-Funk­tio­när Ernst Sasse

Posi­tiv erin­nern kann ich mich hin­ge­gen an die »Street­ten­nis-Tour des West­fä­li­schen Ten­nis-Ver­ban­des »Anfang der 2000er«, wo es dem legen­dä­ren Ten­nis-Funk­tio­när Ernst Sas­se gelang, bin­nen weni­ger Wochen zig Tau­sen­de von Schü­lern auf die Markt­plät­ze der Städ­te zu holen, um ihnen die Sport­art Ten­nis näher zu brin­gen. Ich habe das damals medi­al beglei­tet und muss­te in den Rat­häu­sern der aus­rich­ten­den Städ­te schon ver­dammt hoch klet­tern, um alle Akti­ven auf ein Grup­pen­fo­to zu brin­gen. Eine Droh­ne wäre schon damals hilf­reich gewe­sen. Der gute Ernst gab sich übri­gens erst dann zufrie­den, wenn jedes Kind auch ein Erin­ne­rungs­shirt über­ge­streift bekam. Konn­te er hier­für kei­ne loka­len Spon­so­ren begeis­tern, hat er sein eige­nes Por­te-Mon­naie auf­ge­macht. Pure Lei­den­schaft, die viel zu wenig Unter­stüt­zung fand, zuletzt nicht mal im eige­nen Lan­des­ver­band, bis Ernst man­gels Sup­port und Etat die Lust verlor…

Mit Kugel­sto­ßen nicht auf Augenhöhe

Zurück zur Pres­se­mit­tei­lung des DTB. Dort heißt es mehr oder weni­ger abschlie­ßend: »Ziel ist es damals wie heu­te, den nicht ten­nis­af­fi­nen Sport­leh­rern eine Hil­fe­stel­lung für das Aus­pro­bie­ren der Dis­zi­plin im Unter­richt an die Hand zu geben und ihnen zu zei­gen, dass Ten­nis in der Schu­le auch mit ein­fa­chen Mit­teln umsetz­bar ist.« Wäre es sicher­lich, nur ist Ten­nis im Sport­un­ter­richt nicht wie Kugel­sto­ßen oder Hoch­sprung Bestand­teil des Lehr­plans und wird es ver­mut­lich auch nie wer­den. Und ein Pro­blem kommt ja noch oben­drauf, denn immer häu­fi­ger heißt es in unse­ren Schu­len: „Heu­te kein Schul­sport!” Dar­an ist der Ten­nis­sport aber nun wirk­lich nicht Schuld…

» More Clas­sics