Be the best Coach!
Es gibt immer wieder Phasen im Verlauf der Coaching-Tätigkeiten, in denen man sich die Frage stellt, ob man einen guten Job macht oder ob alles bestmöglich läuft. Diese Fragen, beziehungsweise das sich selbst hinterfragen, kann beispielsweise in Momenten auftreten, in denen der eigene Schützling im Training nicht so motiviert ist oder eine überraschende Niederlage einstecken musste. Diese Überlegungen führen in meinem Fall gelegentlich zu der einfachen aber zugleich sehr komplexen Frage: Was macht eigentlich einen guten Coach aus?!
Ich möchte aufgrund meiner Erfahrungen, die ich früher als aktiver Spieler mit meinen Trainern, als Schüler/Student in diversen Aus- und Fortbildungen und als aktiver Trainer gesammelt habe, ein Bild eines für mich persönlich guten Coaches zeichnen. Und zwar möchte ich an dieser Stelle versuchen, andere Eigenschaften anzuführen, als jene die sehr häufig in diversen Beiträgen oder Fachzeitschriften erwähnt werden, in denen von pädagogischer Kompetenz, technischem und taktischem Verständnis, etc. die Rede ist. Diese Eigenschaften sind natürlich ebenso relevant. Ich hoffe jedoch, dass es mir durch eine mitunter anderen Betrachtungsweise gelingt, einigen Coaches dabei zu helfen, noch effizienter und qualitativ hochwertiger arbeiten zu können. Lange Rede kurzer Sinn, nun ein Auszug von Eigenschaften, die einen guten Coach meiner Meinung nach ausmachen…
Coach sein — full time job
Ein berühmter Coach hat einmal in einem Vortrag erwähnt, dass es für ihn selbstverständlich sei, immer für seine Schützlinge da zu sein. Bezogen auf das Training bedeutet das, dass die »Betreuung« nicht ab dem Moment endet, wo man den Platz verlässt, sondern dass man auch außerhalb des Platzes ein offenes Ohr für seine Schützlinge haben sollte. Denn auch Dinge, die außerhalb des Platzes passieren, können einen positiven wie auch negativen Einfluss auf die weitere(n) Trainingsleistung(en) haben. Deshalb ist es wichtig, dies vor dem Training zu wissen, um das Training entsprechend gestalten zu können.
Verständnis
In Anlehnung an den soeben erwähnten Punkt bedeutet dies in gewissen Situationen, in denen der Schützling zum Beispiel aufgrund von privaten Problemen unkonzentriert oder unmotiviert erscheint, als TrainerIn verständnisvoller gegenüber der voraussichtlich daraus resultierenden schwächeren Trainingsleistung zu sein. Es sollte aber nach dem Training von Seiten der Trainerin bzw. des Trainers thematisiert werden, um eine Lösung für die weiteren Trainingseinheiten zu finden.
Strukturierte Flexibilität
Es ist grundsätzlich wichtig für jedes Training, einen Plan/Schwerpunkt(e) zu haben, damit klar ist, was man in der Trainingseinheit erreichen möchte. Dabei ist aber häufig eine situativ variable Flexibilität erforderlich, da, wie zuvor erwähnt, individuelle Voraussetzungen der Schützlinge an den jeweiligen Tagen berücksichtigt werden müssen/sollten. Das bedeutet für die Praxis, dass man beispielsweise den Trainingsplan bei mangelnder Motivation seitens des Schützlings mit Übungen ergänzt/ersetzt, die vielleicht nicht zum aktuellen Trainingsschwerpunkt passen, von denen man aber weiß, dass sie sehr gerne gespielt werden.
Austausch
Erklärungen und Absprachen mit seinem Schützling vor dem Training oder in dessen Verlauf sind meiner Erfahrung nach sehr wichtig, um seine Schützlinge auch mental im Trainingsprozess zu fordern und einzugliedern. Hier möchte ich grundsätzlich zwischen SpielerInnen unterscheiden die sich a) trainieren lassen, die quasi alles von ihrem Coach entscheiden lassen und im Training eher »passiv« agieren und b) selber Inputs für das Training geben, die nachfragen oder/und hinterfragen warum beispielsweise diese Übung jetzt gespielt wird, oder in dieser Situation dieser Schlag besser ist.
Der Vorteil von aktiv trainierenden SpielerInnen ist, dass sie sich viel intensiver mit dem Tennissport auseinandersetzen, wodurch ein schnellerer Lernerfolg sowie ein schnellerer Leistungsanstieg erreicht werden kann. Somit wird klar, dass die Aufgabe eines guten Coaches auch darin besteht, dafür zu sorgen, dass seine Schützlinge aktiv im Trainingsprozess mitarbeiten. Es ist jedoch wichtig, dass nicht immer alles bis ins kleinste Detail durchdiskutiert wird, weil sonst keine Zeit für das Training an sich bleibt. Hier sind entsprechende Balance sowie ein gewisses Fingerspitzengefühl erforderlich.
Begeisterung erzeugen
Durch die bewusste Eingliederung seines Schützlings in das Training und dem dadurch wachsendem Verständnis für den Sport, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Schüler sich außerhalb des Platzes ebenfalls für den Tennissport begeistern und in der Folge besseren SpielerInnen zuschauen und versuchen werden, sich von ihnen etwas abzuschauen. Auch dies ist nachvollziehbarer Weise förderlich für die persönliche Leistungsentwicklung.
Neue Wege gehen
Abwechslungsreiche und innovative Trainingseinheiten sind wichtige Faktoren, um Begeisterung zu schaffen und aufrecht zu erhalten. Um dies zu erreichen, können unter anderem neue Dinge ausprobiert werden und auch Kreativität wird manchmal vom Coach gefordert. Entscheidend dabei ist jedoch, sich vorab ausreichend Gedanken darüber zu machen, ob sich die neue(n) Übung(en) oder ein neuer Trainingsansatz wirklich dazu eignen oder eher kontraproduktiv sind.
Motivation durch Inspiration
Motivation ist ein wichtiges Element für eine gute Trainingsleistung. Damit der Schützling in so vielen Trainingseinheiten wie möglich motiviert ist, vor allem in Einheiten mit Schwerpunkten, die dem Schützling vielleicht nicht so zusagen (beispielsweise Techniktraining), ist es wichtig, ihr/ihm näher zu bringen, warum dieser Schwerpunkt gesetzt wird. Man muss ihr/ihm so gut es geht verdeutlichen, wie beispielsweise konstanter oder druckvoller das eigenen Spiel dadurch wird. Wie wichtig dieser »Mosaikstein« ist, um zum Beispiel beim nächsten Mal seine Angstgegnerin/seinen Angstgegner schlagen zu können. Und was das dann für ein tolles Gefühl sein wird, wenn man es geschafft hat. Speziell bei Kindern und Jugendlichen ist es wichtig, dies so detailliert wie möglich zu beschreiben, um sie zu inspirieren, damit auch nicht so »spannende« Trainingsinhalte mit höchstmöglicher Motivation durchgeführt werden.
Stillstand ist Rückschritt
„Wer glaubt, alles zu wissen, hört auf, besser zu werden”, dieser Spruch eines ehemaligen Trainers bringt es auf den Punkt. Als Coach hat man die Aufgabe, sich ständig weiterzuentwickeln, um neue Erkenntnisse und Trends, nachdem man sie hinterfragt und sich ausreichend mit ihnen beschäftigt hat, in den Trainingsalltag einzubauen, um ein modernes und effizientes Training gewährleisten zu können. Dabei sind auch Kooperation und Austausch mit anderen TrainerInnen sinnvoll und notwendig, um auch andere Sichtweisen kennenzulernen und bei Bedarf in das eigene Training einzubauen.
Von anderen Sportarten lernen
Im Laufe meiner Ausbildungen habe ich gelernt, dass es sehr hilfreich ist, sich auch mit Trainerinnen und Trainern aus anderen Sportarten auszutauschen. Speziell aus dem Bereich der Leichtathletik kann man sich meiner Erfahrung nach sehr viel abschauen, denn hier findet man eine Vielzahl an Übungsformen, die dafür sorgen, dass elementare Dinge wie Laufen oder Werfen von Beginn an richtig erlernt werden. Und sind diese »Basics« einmal erlernt worden, kann man mit etwas Kreativität und Sportartspezifischem Wissen aus leichtathletischen auch tennisspezifische Übungen kreieren.
Eigenen Stärken bewusst sein
Einer meiner besten Lehrer hat mich eines Tages mit einer Antwort auf die Frage eines Kollegen sehr überrascht, indem er erwiderte: „Da bin ich kein Experte, dass kann dir mein Kollege sicher besser beantworten.“ Mit dieser Antwort hatte ich deshalb nicht gerechnet, weil ich mir bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorstellen konnte, dass dieser kompetente und erfahrene Trainer etwas nicht wissen kann. Mir wurde in diesem Moment schlagartig klar, dass ein guter Coach nicht jemand ist, der alles weiß, sondern dem bewusst ist, wo ihre/seine Stärken liegen und für den Fall der Fälle ein Netzwerk mit Experten hat, denen sie/er vertraut und die sie/er um Rat fragen kann.
Fehler eingestehen – super Coach
Derselbe Lehrer hat mir auch vermittelt, dass Fehler im Verlauf der Coaching-Tätigkeiten passieren werden, ja sogar normal sind. Denn Fehler gehören zum Entwicklungsprozess, den auch ein Coach durchläuft, dazu. Wichtig dabei sind jedoch zwei Dinge. Erstens: den Fehler schnellstmöglich zu registrieren und zweitens zu versuchen, daraus zu lernen — und diesen fehler — wenn möglich — nicht zu wiederholen. Ein »Super Coach« teilt diese Fehler mit anderen Coaches, damit diese nicht dieselben Fehler machen, um beispielsweise daraus resultierende Verletzungen zu verhindern.
Erfahrung
Zu guter Letzt die wahrscheinlich wichtigste Voraussetzung, ein guter Coach sein zu können und um einen Teil der soeben erwähnten Punkte auch »erfahren« zu haben, ist dann logischer Weise die Erfahrung an sich. Nur durch Erfahrung(en) findet ein guter Coach jenen persönlichen Weg, der ihm richtig erscheint und bei dem er überzeugt davon ist, seine Schützlinge bestmöglich betreuen zu können. Und falls etwas nicht wie gewünscht läuft, weiß er durch die Vielzahl an Trainingseinheiten und durch die Vielzahl an unterschiedlichen Schützlingen mit ihren individuellen Bedürfnissen, ob, was und wann etwas im Trainingsprozess geändert werden soll. Das bedeutet nicht, dass man zu Beginn der Trainerkarriere kein guter Coach sein kann, aber man muss sich im Klaren sein, dass Erfahrung(en) notwendig ist/sind, um ein noch besserer Coach sein zu können. Alles Gute beim Erfahrung sammeln, um zum »besten Coach zu werden, der ihr sein könnt«.