Der Weg an »neue« Mitglieder zu kommen kann nur über eine mit einem hohen Erfüllungsgrad versehene zielführende Kooperation »Schule-Verein« und darüber hinaus auch einer Kooperation »Kindergarten-Verein« stattfinden. Andere Ballsportarten machen es dem Tennissport seit Jahren vor, wie Vereine den Mitgliederunterbau durch Kooperationsmaßnahmen jedes Jahr erfolgreich stärken. Daraus ergeben sich weitere positive Entwicklungen, wie beispielsweise der Aufbau von Jugendmannschaften in den Vereinen und Schulmannschaften in Bezug auf »Jugend trainiert für Olympia«.
In der ersten deutschsprachigen »Jüngsten- und Schultennisbroschüre« aus dem Jahr 2000, die der damalige Schultennisreferent des Niedersächsischen Tennisverbandes Oliver Engst zusammengestellt hat, sind die Inhalte und Ablaufpläne zur erfolgreichen und vor allem praxisnahen Umsetzung detailliert beschrieben. Das Buch mit einer Auflage von 10.000 Exemplaren war damals nach kürzester Zeit komplett vergriffen und die Ergebnisse in Sachen Neumitgliedern sprachen Bände. Die Anzahl der Kooperationsmaßnahmen »Schule-Verein« schnellten in kürzester Zeit nach oben und die teilnehmenden Vereine hatten enormen Zuwachs im Kinderbereich. Der Deutsche Fußball Bund (DFB) hat aus Teile dieses Konzepts übernommen, um unter anderem Mädchen zum Fußballspielen im Verein zu begeistern.
Darüber hinaus wurde zu dieser Zeit eine eigenständige Trainerausbildungsreihe »Trainerassistent« dezentral in ganz Niedersachsen für Trainer und Vorstandmitglieder durchgeführt. Die fast 60 Seiten umfassende Lehrgangsmappe ist inhaltlich aktueller denn je. Engst erkannte damals frühzeitig, dass das Projekt »Mitgliedergewinnung« ausschließlich über engagierte und gut ausgebildete Trainer im Bereich der sportlichen und motorischen Förderung im Kindergarten- und Grundschulalter gelingt. Die Ergebnisse hierzu sind allsamt belegt und nach wie vor beeindruckend. Eine derartigen Mitgliederzuwachs bei Kindern gab es – nachdem das Projekt 2003 vom damaligen Präsidium des NTV gekippt wurde – nie wieder. O-Ton eines damaligen NTV-Funktionärs: „Die Zukunft des Tennis liegt ausschließlich in den Kindern Tennispielender Eltern! Das Projekt muss sofort gestoppt werden, es ist viel zu erfolgreich. Wir müssten sonst zugeben, dass unsere Streettennistour nicht den gewünschten Erfolg bringt und Sponsoren abspringen.“
Heutige Forderungen nach Konzepten zur Mitgliedergewinnung im Kinderbereich könnten mit den Inhalten der damaligen Schultennisaktivitäten sofort mit Leben gefüllt werden. Das Rad zur Mitgliederwerbung muss nicht neu erfunden werden, die Inhalte und Umsetzungsstrategien liegen alle vor und die Maschinerie kann von engagierten Trainern per sofort in Bewegung gesetzt werden. Die von der Uni Darmstadt ins Leben gerufene »Darmstädter Tenniswerkstatt« griff die damaligen Inhalte im Jahr 2009 auf und entwickelte diese im Bereich des Großgruppentrainings weiter. Dieser Aspekt findet leider nach wie vor viel zu wenig Akzeptanz in der Trainerausbildung. Viele Trainer sagen von sich aus, dass sie mit mehr als vier Kindern kein effektives Training durchführen können. Wie spielend leicht dies umsetzbar ist, zeigen Trainingskonzepte aus der Schweiz bei denen ein Trainer bis zu 16 Kinder gleichzeitig betreut.
Bereits im Jahr 2001 wurde mit Kids in der Ausbildung zum Trainerasssistenten mit größeren Bällen und kleineren Kinderschlägern auf angepassten Spielfeldern gespielt. Man bedenke, dass erst im Jahr 2007 die ITF-Kampagne »Play+Stay« mit genau diesen Aspekten weltweit eingeführt wurde.
Richtet man den Blick über die Landesgrenzen hinaus, war das von Oliver Engst entwickelte Konzept Vorreiter für viele Entwicklungen und seiner Zeit weit voraus. Das von Martin Rocca in Spanien durchgeführte »Mini Players«-Konzept wird weltweit von engagierten Trainer in Vereinen praktiziert. Andy Dowsett beschreibt in England mit dem »System 9« einen ähnlichen altersgerechten Lernweg.
Es bedarf nach all’ den Erfahrungen keinerlei neuer Konzepte zur Mitgliedergewinnung von Kindern. Wer sich mit den Aspekten »Kindergarten- und Grundschultennis« beschäftigt, wird langfristig Erfolg haben. Es gibt genügend Beispiele, wo Vereine durch Aktivitäten auf diesen Feldern auch erwachsene Neumitglieder gewinnen, nämlich die Eltern der tennisspielenden Kinder. Ein nicht zu unterschätzendes Betätigungsfeld ist das Kindergartentennis. Die Lernstufen »weiß« und »blau« legen die Basis im motorischen Bereich und ermöglichen einen nahtlosen Übergang zum Tennisspiel in einem sich stufenweise vergrößerndem Spielfeld. Trainer müssen den Blick über den Ballkorbrand hinaus richten. Heute muss Tennis dahin gehen, wo sich viele Kinder aufhalten, nämlich in die Kindergärten und Schulen. Darüber hinaus gelingt es mit den vorliegenden Konzepten spielend leicht, Kinder mit Migrationshintergrund zu integrieren.