AO-Finale 2023
Sonntag, 29. Januar 2023. Der Tag beginnt um 7.30 Uhr. Eine Uhrzeit, an der man an einem Sonntag normalerweise selten motiviert aus dem Bett kommt. Doch die Vorfreude auf das AO-Open Finale, in dem so oder so Geschichte geschrieben wird, erleichtern das Aufstehen ungemein.
Unmittelbar vor dem Finale zwischen Novak Djokovic und Stefanos Tsitsipas schreiben meine Freundin und ich auf kleinen weißen Zetteln das von uns erwartete Endresultat auf. Gefaltet übergeben wir es wechselseitig dem Partner. Es fällt uns beiden schwer, unsere Entscheidung rein auf den im Verlauf des Turniers gewonnen Erkenntnissen zu treffen. Vor allem mir, dessen Sympathie auf ewig einem Schweizer Tennisspieler gehören wird, fällt es schwer, objektiv zu bleiben. Aus diesem Grund schreibe ich das von mir mehr erhoffte als erwartete Ergebnis auf und bereite mich schon darauf vor, enttäuscht zu werden.

Die Analyse.
Im ersten Satz hatte man das Gefühl, dass Djokovic von Beginn an zu 100 % am Platz war und eine optimale Balance zwischen innerer Ruhe, klarem Verstand und physischer Aktivität finden konnte. Des Weiteren zeigte der Serbe, dass nicht nur die Geschwindigkeit des Aufschlags, sondern vielmehr eine hohe Prozentzahl beim ersten Aufschlag sowie dessen Variation in Richtung und Tempo, wie es beispielsweise bei einem ersten Aufschlag mit Kick und 151 km/h auf die einhändige Rückhand des Griechen erkennbar war, erfolgversprechend sein kann. Statistisch ausgedrückt, stand eine 72 % Quote beim »Ersten« des Serben eine 60 % Quote des Griechen gegenüber. Noch beeindruckender war folgende Statistik: Djokovic gewann 17 von 18 gewonnen Punkten nach dem ersten Aufschlag. Nach 36 Minuten ging der erste Satz dann auch mit 6:3 an den bis dato 9‑fachen AO-Sieger.
Im zweiten Satz änderte Tsitsipas sein Spiel. Er agierte wesentlich druckvoller und setzte seinen Longlineschlag deutlich häufiger ein, was sein Spiel unberechenbarer machte und den Gegner in Bewegung brachte. Die Folge: Tsitsipas hatte durchaus die Chance auf den Satzausgleich. Er hatte den Serben etwas aus dem Gleichgewicht gebracht. Djokovic schimpfte wie in den vorangegangenen Matches auch schon häufig mit seiner Box. Ein positiver und vorbildlicher Austausch schaut sicher anders aus. Bei 4:3 und 5:4 hätte sein Herausforderer durchaus eine Trendwende in diesem Finale einleiten können. Ich erinnere hier nur an den Satzball bei 5:4 und zweitem Aufschlag des Serben, der in diesem heiklen Moment einmal mehr von der passiven Spielweise des Griechen profitierte. Sicher eine spielentscheidende Situation. Vor allem die Vorhand ließ den elf Jahre jüngeren Herausforderer viel zu oft im Stich. Im Tiebreak verspielte Djokovic zunächst eine komfortable 4:1‑Führung. Irgendwie aber hatte man das Gefühl, der Serbe braucht den Druck, um sich wieder fokussieren zu können und um das für ihn erfolgsversprechende Konzept, nämlich die Vorhand des Griechen anzuspielen, konsequent durchzuziehen. Der Tiebreak ging mit 7:4 an den Routinier.
Trotz eines Breaks zu Beginn des dritten Satzes wirkte der Grieche einfallslos und von der Grundlinie war er dem Gegner vor allem aufgrund der immer noch andauernden Vorhandschwäche unterlegen. Die Überlegenheit von Djokovic führte am Ende zu einem weiteren knappen, aber gefühlt ungefährdeten 7:6.
Der Ausblick.
Mit seinem 22. Grand-Slam Triumph und als neue Nr. 1 der Weltrangliste vermute ich, dass der Serbe das Tennisjahr 2023 weiter dominieren und weitere Grand-Slam-Titel feiern wird. Wie viele Major-Kronen noch dazu kommen, wird unter anderem auch vom Comeback eines Carlos Alcaraz abhängen und auch, ob Rafael Nadal in entsprechender körperlicher Verfassung auf die Tennisbühne zurückkehren kann. Wobei ich Nadal in erster Linie bei den French Open eine realistische Chance auf den Titel einräume. Vielleicht spielen in diesem Jahr auch Profis wie beispielsweise Sebastian Korda (wenn seine Handgelenksverletzung nicht gravierend ist) eine entscheidende Rolle im Kampf um die begehrtesten Trophäen. Ich freue mich auf jeden Fall auf die kommenden Monate und bin überzeugt davon, dass es wieder viele herausragende Matches geben wird.

Unsere Anfangs-Prognose.
Die eingangs erwähnte Prognose betreffend sei nur so viel gesagt, dass eine Person absolut richtig lag und die andere Person in seiner Erwartung leider bestätigt wurde, mit seinem Tipp jedoch nicht recht behielt.